Deutsch in Kindergärten

Ratgeber zu ➡️ Deutsch in Kindergärten
Im März 2024 besuchten rund 877.000 Kinder eine Kindertageseinrichtung in Deutschland, in deren Familien vorrangig eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wurde. Diese Kinder bringen vielfältige sprachliche und kulturelle Hintergründe mit – eine Realität, die sich zunehmend im pädagogischen Alltag widerspiegelt.
Insgesamt wurden zum gleichen Zeitpunkt über 3,9 Millionen Kinder in Krippen, Kindergärten und weiteren Einrichtungen der frühkindlichen Bildung betreut. Der weitaus größte Teil – etwa 3,1 Millionen Kinder – wuchs in Familien auf, in denen hauptsächlich Deutsch gesprochen wurde.
Diese Zahlen zeigen deutlich: Mehrsprachigkeit ist längst gelebter Alltag in deutschen Kitas. Daraus ergibt sich ein klarer Handlungsauftrag für Politik, Träger und pädagogische Fachkräfte: Sprachförderung muss vielfältig, individuell und alltagsnah gestaltet werden. Kinder mit anderen Familiensprachen brauchen gezielte Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache – ohne dass ihre Herkunftssprache dabei als Hindernis gesehen wird. Vielmehr sollte sie als wertvolle Ressource anerkannt und in den Kita-Alltag integriert werden.
Bedeutung früher Sprachförderung im Kindergarten
Kinder lernen Sprache am besten durch aktives Tun, Spielen und soziale Interaktion. Der Kindergarten bietet ideale Bedingungen für frühe Sprachförderung, da hier Kommunikation im Alltag eingebettet ist. Eine gute sprachliche Förderung in dieser Phase ist entscheidend für den späteren Bildungserfolg. Kinder, die früh sicher Deutsch sprechen, haben bessere Startbedingungen für die Schule, knüpfen leichter soziale Kontakte und entwickeln ein gesundes Selbstbewusstsein. Frühzeitige Förderung hilft auch, mögliche sprachliche Defizite rechtzeitig zu erkennen und gezielt zu unterstützen. Wichtig ist ein wertschätzender Umgang mit der Erstsprache – sie ist kein Hindernis, sondern ein Schatz, auf dem aufgebaut werden kann.
Tipp: Unser Ratgeber zu Kindergarten
„Sprache ist der Schlüssel zur Welt.“
– Wilhelm von Humboldt
Mehrsprachigkeit als Chance – nicht als Problem
Viele Kinder im Kindergarten wachsen mehrsprachig auf. Das ist ein großer Vorteil! Wer mehrere Sprachen spricht, trainiert kognitive Fähigkeiten, Flexibilität und Empathie. Statt Mehrsprachigkeit als Defizit zu sehen, sollte sie als Ressource betrachtet werden. Eltern können ermutigt werden, ihre Herkunftssprache weiterzugeben, während im Kindergarten spielerisch Deutsch gefördert wird. Kinder, die sich in ihrer Familiensprache sicher fühlen, lernen auch leichter Deutsch. Pädagogische Fachkräfte sollten Offenheit für verschiedene Sprachen zeigen, etwa durch mehrsprachige Bücher, Lieder oder Begrüßungsrituale. So fühlen sich Kinder mit anderer Muttersprache willkommen – ein wichtiger Schritt zur gelungenen Integration.
Sprachförderung im Alltag: So gelingt’s
Sprachförderung muss nicht extra „unterrichtet“ werden – sie funktioniert am besten im Alltag. Beim gemeinsamen Spielen, Basteln oder Frühstücken entstehen viele Sprechanlässe. Wichtig ist, dass pädagogische Fachkräfte bewusst sprechen, Dinge benennen, Fragen stellen und Kinder ermutigen, sich auszudrücken. Rituale wie Morgenkreis, Bilderbuchbetrachtungen oder kleine Rollenspiele bieten ideale Gelegenheiten zur Wortschatzerweiterung. Auch Wiederholungen und klare Strukturen helfen Kindern, die Sprache zu festigen. Eine liebevolle, geduldige Atmosphäre, in der kein Kind ausgelacht wird, ist die wichtigste Grundlage. Ziel ist nicht perfektes Deutsch, sondern Freude an der Sprache und Selbstvertrauen im Sprechen.
Tipp: Unser Ratgeber Kinder

Schulanfang ohne ausreichende Deutschkenntnisse
Kinder, die bei Schuleintritt nur wenig Deutsch sprechen, haben es oft schwer – schulische Inhalte werden durch die Sprachbarriere nicht verstanden. Frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule ist daher essenziell. Sprachstandserhebungen vor der Einschulung helfen, den Förderbedarf zu erkennen. Eltern sollten über Fördermöglichkeiten informiert und eingebunden werden. Intensivsprachkurse vor Schulbeginn, etwa in Vorschulgruppen oder Sommerprogrammen, können Lücken schließen. Auch nach dem Schulstart sind enge Absprachen mit Lehrer*innen hilfreich. Wichtig ist: Kein Kind darf wegen fehlender Sprachkenntnisse ausgeschlossen werden – jedes Kind hat das Recht auf Bildung.
Tipp: Unser Ratgeber Kinder & Bildung
Rolle der Eltern in der Sprachentwicklung
Eltern sind die ersten und wichtigsten Sprachvorbilder. Sie beeinflussen die Sprachentwicklung stark – unabhängig von der gesprochenen Sprache. Erzieher sollten Eltern darin bestärken, viel mit ihren Kindern zu sprechen, Geschichten zu erzählen, gemeinsam zu singen oder Bücher anzuschauen. Auch mehrsprachige Bücher oder Apps können dabei helfen. Wenn Eltern selbst nur wenig Deutsch sprechen, kann der Kindergarten niedrigschwellige Angebote machen: z. B. Elterncafés, Vorlesestunden oder zweisprachige Aushänge. Ziel ist, dass Eltern die Wichtigkeit früher Sprachförderung verstehen und sich aktiv beteiligen – gemeinsam gelingt die Sprachentwicklung am besten.
Sprachstandserhebungen im Vorschulalter
Sprachstandserhebungen dienen dazu, den individuellen Entwicklungsstand eines Kindes zu erfassen. Sie zeigen, ob ein Kind altersgemäß Deutsch versteht und spricht oder ob es gezielte Förderung braucht. In vielen Bundesländern sind solche Tests verpflichtend vor der Einschulung. Wichtig ist, dass diese Verfahren sensibel durchgeführt werden, ohne Kinder zu verunsichern. Sie sind keine „Prüfung“, sondern ein hilfreiches Instrument, um die bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Die Ergebnisse sollten mit den Eltern besprochen und in konkrete Fördermaßnahmen umgesetzt werden – z. B. Sprachfördergruppen oder zusätzliche Unterstützung im letzten Kindergartenjahr.

Methoden der alltagsintegrierten Sprachförderung
Alltagsintegrierte Sprachförderung nutzt jede Alltagssituation als Lernchance. Kinder lernen Sprache, wenn sie im Gespräch aktiv sind. Methoden wie das dialogische Lesen, Erzählen mit Bildern, Reimen, Bewegungsspiele oder das gemeinsame Kochen bieten sprechintensive Momente. Wichtig ist, dass Erzieher bewusst sprachförderlich handeln: Sie sprechen in vollständigen Sätzen, erweitern kindliche Aussagen („Du sagst: 'Auto!' – Ja, ein rotes Auto fährt schnell!“) und regen Kinder zum Nachfragen und Erzählen an. Auch nonverbale Mittel wie Gestik und Mimik helfen beim Verständnis. Diese Form der Sprachförderung ist besonders wirksam – weil sie natürlich und spielerisch ist.
Unterstützung durch externe Sprachförderprogramme
Neben der alltagsintegrierten Förderung gibt es zusätzliche Programme wie „Deutsch für den Schulstart“, „Kolibri“ oder „Rucksack KiTa“. Diese Angebote bieten strukturierte Sprachförderung, oft in Kleingruppen und mit geschultem Personal. Sie sind besonders für Kinder mit wenig Deutschkenntnissen wertvoll. Wichtig ist, dass solche Programme auf das Konzept des Kindergartens abgestimmt sind und eng mit dem pädagogischen Team zusammenarbeiten. Auch ehrenamtliche Vorlesepatinnen oder Sprachmentorinnen können eine große Hilfe sein. Die Kombination aus Alltagssprache und gezielter Förderung ist am effektivsten.

Sprachfördermaterialien: Bücher, Spiele, Apps
Gute Materialien unterstützen die Sprachentwicklung – wenn sie bewusst eingesetzt werden. Bilderbücher mit klaren Illustrationen und einfachen Texten regen zum Erzählen an. Spiele mit Regeln fördern das Zuhören, Verstehen und Sprechen. Auch digitale Medien wie Sprachlern-Apps können hilfreich sein, sollten aber pädagogisch begleitet werden. Wichtig: Materialien sollen dialogisch genutzt werden – also nicht nur einseitig „bespielt“, sondern als Gesprächsanlass dienen. Die Fachkraft bleibt dabei aktiv im Dialog. Empfehlenswert sind auch Materialien in mehreren Sprachen, um Kinder mit anderer Muttersprache einzubeziehen und Übergänge zwischen den Sprachen zu erleichtern.
Bedeutung von Musik, Rhythmus und Bewegung für das Sprachenlernen
Kinder lernen durch Musik und Bewegung besonders leicht. Lieder, Reime und Fingerspiele fördern den Wortschatz, das Sprachgefühl und die Aussprache. Durch Rhythmus, Wiederholung und einfache Texte prägen sich Wörter schneller ein. Gleichzeitig macht gemeinsames Singen Spaß und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Auch Bewegungsspiele mit sprachlicher Begleitung helfen beim Verstehen und Mitmachen. Wichtig ist, regelmäßig musikalische Elemente in den Alltag zu integrieren – z. B. Begrüßungslieder, Geburtstagslieder oder Reime beim Anziehen. Musik schafft emotionale Zugänge zur Sprache – ein unschätzbarer Vorteil in der frühen Sprachförderung.
Vom Kindergarten in die Schule
Der Übergang von der Kita in die Grundschule ist ein großer Schritt. Sprachliche Kompetenzen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Eine enge Kooperation zwischen Kindergarten, Schule und Elternhaus hilft, diesen Übergang gut zu gestalten. Gemeinsame Projekte mit der Schule, Besuche in der zukünftigen Klasse oder Schnuppertage stärken das Selbstvertrauen. Wichtig ist, die Sprachförderung im letzten Kitajahr intensiv fortzusetzen. Auch sollten Schulen über den Sprachstand der Kinder informiert werden, um gezielt anschließen zu können. Ein sanfter, gut vorbereiteter Übergang schafft die besten Voraussetzungen für einen gelungenen Schulstart.
Tipp: Unser Ratgeber Schule

Fortbildung und Haltung der pädagogischen Fachkräfte
Die Haltung der Fachkräfte ist entscheidend für den Spracherwerb. Wer offen, wertschätzend und sprachsensibel agiert, schafft eine förderliche Lernumgebung. Regelmäßige Fortbildungen zu Sprachförderung, Mehrsprachigkeit und interkultureller Kompetenz sind daher wichtig. Auch kollegialer Austausch und Supervision helfen, die eigene Praxis zu reflektieren. Fachkräfte sollten sich als Sprachvorbilder verstehen – mit klarer, korrekter Sprache und echtem Interesse am Kind. Nur so kann Sprachförderung nachhaltig gelingen.
Sprache ist der Schlüssel zur Welt – und zur Teilhabe an Bildung, Gesellschaft und Gemeinschaft. In unseren Kindergärten wird der Grundstein dafür gelegt, dass Kinder – unabhängig von ihrer Herkunft – mit Selbstvertrauen, Neugier und Freude ihren Weg gehen können.
Die sprachliche Vielfalt, die Kinder mitbringen, ist kein Hindernis, sondern ein Schatz. Wenn wir diese Vielfalt annehmen, gezielt fördern und Brücken zwischen den Sprachen bauen, gelingt echte Integration – von Anfang an.
Damit das gelingt, braucht es uns alle: Pädagogische Fachkräfte mit Herz und Kompetenz, Eltern, die sich einbringen, Träger, die gute Rahmenbedingungen schaffen, und eine Gesellschaft, die Kindern Raum zum Wachsen gibt.
Autorin: Jasmin, 14.04.25 - Artikel lizenziert unter CC BY-SA 4.0
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