Rechtsextremismus & Populismus

Die IBÖ auf einer Demo in Wien
Flickr | Ivan Radic - CC BY 2.0

➡️ Rechtsextremismus in Österreich - Kritischer Info-Ratgeber

Im Herbst 2024 sind Nationalratswahlen in Österreich und aktuell ist die rechtspopulistische FPÖ stimmenstärkste Partei. Unter Herbert Kickl könnte sie den Rechtsruck in europäischen Regierungen einmal mehr bestärken. Doch es sind leider auch Teile der Gesellschaft, die sich immer mehr mit autoritären Ideologien, Ausgrenzung und Abschottung anfreunden können und rechte Parteien wählen. 

Österreich ist da keine Ausnahme. Die NS-Zeit wurde bedauerlicherweise nie umfassend aufgearbeitet; die Folge ist ein Land mit tiefem gesellschaftlichem Antisemitismus und Rechtsextremismus. Seit Jahrzehnten finden diese Ideologien in Österreich einen günstigen Nährboden. Eine FPÖ-Regierung mit dem "Volkskanzler" Kickl an der Spitze wäre da nur der traurige Höhepunkt einer sich lange anbahnenden Entwicklung.

Bessere Welt Info schaut kritisch auf den zunehmenden Rechtsextremismus in Österreich. Beschreibt die aktuelle Lage und Entwicklungen, befasst sich mit den historischen Hintergründen und beleuchtet rechtsextreme Vorfälle und Kontinuitäten bei Polizei und Bundesheer. 

 

Eine Grafik zu Rechtsextremismus in Österreich 2022
statista 2024

Wie ist die rechtsextreme Lage in Österreich?

Rechtsextremismus ist in Österreich nicht als als verfassungsfeindliche oder strafrechtlich zu verfolgende Ideologie gelistet und gilt lediglich als Vorstufe des verbotenen Neonazismus. 2022 wurden in Österreich 928 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund begangen (statista 2024). Im ersten Halbjahr 2023 ist die Zahl erneut um 20 Prozent gestiegen. Zudem wurden 2022 719 antisemitische Vorfälle gemeldet - eine Zahl, die sich nach den Gaza Bombardierungen durch Israel seit Herbst 2023 nochmals deutlich steigerte (IKW 2023). 

Es wurden 660 rechte Personen angezeigt und es kam zu 37 Festnahmen im Zusammenhang mit Rechtsextremismus (ORF 2023). Ideologisch sind der traditionelle Neonazismus und die Neue Rechte präsent und beide verfolgen das Ziel, rechtsextremes Gedankengut in der breiten Gesellschaft zu verankern.

Bekannte Gruppen der neurechten Strömung sind die "Identitäre Bewegung Österreich" (IBÖ) oder die "Die Österreicher" (DO5). Sie fokussieren sich stark auf die Ablehnung von Migranten oder Geflüchteten, die als direkte Gefahr für die heimische Bevölkerung dargestellt werden. Es wird mit Schlagworten wie "Bevölkerungsaustausch" oder "Remigration" gearbeitet, um ihr Ziel zu erreichen: Eine geschlossene, ethnisch homogen europäische Gesellschaft, die für sie aktuell durch eine vermeintliche Islamisierung und den Multikulturalismus bedroht wird.

Neonazistische Gruppierungen vertreten klare rassistische oder antisemitische Positionen und sind gegen das demokratische Rechtsstaat-Prinzip eingestellt. Sie stützen ihre Positionen oft mit Militanz oder Gewaltbereitschaft. Zu diesem Spektrum zählt die Gruppe um den rechtsextremen Intensivtäter Gottfried Küssel oder Hooligan-Gruppierungen wie "Eisern Wien" oder "Unsterblich Wien"; aber auch die faschistische Bewegung "Graue Wölfe", die ihren Ursprung in der Türkei hat. Das aus Großbritannien stammende Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ ist ebenfalls in Österreich aktiv, beispielsweise in Vorarlberg oder in der Steiermark.

 

Eine Anti-Corona Demo in Wien 2021
Flickr | Ivan Radic - CC BY 2.0

Corona-Proteste, Islamophobie, Geflüchtete und Rassismus

Anhand der Covid-19-Proteste in den vergangenen Jahren lässt sich die starke Vernetzung zwischen klar neonazistischen Gruppen und der neuen Rechten erkennen. Herbert Kickl, aktueller FPÖ-Bundesobmann, hielt regelmäßig Reden auf diesen Demonstrationen – auf der Mitglieder der Identitären Bewegung und DO5, aber auch rechtsextreme Hooligan-Gruppen oder die Gruppe um Küssel vertreten waren. Verschiedene rechtsextreme Hooligan-Gruppen fungierten auch immer wieder als Demoschutz für die DO5 oder die IBÖ.

Die Covid-19-Proteste wurden von den rechtsextremen Gruppen systematisch genutzt, um breitere Gesellschaftsschichten mit ihrer Ideologie zu erreichen. Der österreichische Verfassungsschutz sieht darin eine Zunahme von Radikalisierungsprozessen und eine verstärkte Hinwendung zu extremistischen und staats- beziehungsweise demokratiefeindlichen Strömungen (Verfassungsschutzbericht 2022).

Er sieht auch eine stärkere internationale Bezugnahme, beispielsweise durch die Verklärung rechtsextremistischer Terroranschläge im Ausland, sowie durch das Aufgreifen von ideologischen Ansätzen wie der "white supremacy" oder der "siege culture", die ihre Wurzeln im amerikanischen Neonazismus haben. Dabei wird auch auf internationalen Austausch und Vernetzung gesetzt, beispielsweise durch gemeinsame Aktionen oder Treffen.

Seit dem Abebben der Covid-19-Proteste wird sich wieder vermehrt auf Asyl- und Migrationsthemen oder die Energiepolitik konzentriert. Oft werden soziale Probleme wie Wohnungsnot oder Armut mit Rassismus oder islamophoben Parolen verknüpft, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schwächen und Vorurteile gegen Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchtgeschichte zu schüren.

Hinsichtlich des Ukraine-Krieges lässt sich keine einheitliche Positionierung erkennen. Das Risiko für rechtsextreme Straftaten und eine zunehmende Radikalisierung wird vom österreichischen Verfassungsschutz als "konstant erhöht" beschrieben und als am stärksten wachsende Bedrohung angesehen.

 

Geschichte des österreichischen Rechtsextremismus

Die Geschichte des österreichischen Rechtsextremismus ist lang. Trotz Bemühungen einer Entnazifizierung und politischer Aufarbeitung der NS-Zeit blieb eine konsequente und nachhaltige Auseinandersetzung über die Rolle Österreichs aus. Bereits kurz nach Kriegsende bildeten sich illegale, neonazistische Organisationen

 

Jörg Haider bei einer Veranstaltung
Wiki | Dieter Zirnig - CC BY 2.0

Rechtsextreme wurden wieder schnell als Richter, Staatsanwälte, Offiziere oder Hochschulprofessoren eingesetzt. 1949 wurde der Verband der Unabhängigen (VdU) gegründet, eine Partei, die sich vor allem als Sprachrohr der Nationalsozialisten, Deutschnationalen und Rechtsliberalen verstand und als Drittes Lager bezeichnet wurde. Sie wies bereits zu Beginn eine faschistische Haltung auf – so wurden mehrere Parteiblätter wegen Verfassungsfeindlichkeit beschlagnahmt. Doch auch die ÖVP und die SPÖ versuchten diese Klientel zu umwerben. 

Durch dieses offene Klima gegenüber ehemaligen NS-Befürwortern konnten sich rechte Kräfte schnell wieder öffentlich etablieren, beispielsweise durch die Gründung von Soldatenbünden und Kameradschaftsverbänden wie dem "Kärntner Heimatdienst" oder dem  "Österreichischen Kameradschaftsbund".

In den 60er Jahren wurden mit der Nationaldemokratischen Partei und der Aktion Neue Rechte zwei weitere rechte Parteien gegründet, die sich allerdings nicht lange halten konnten. Die SPÖ-Regierung unter Bruno Kreisky in den 70er Jahren umfasste mehrere hochrangige Politiker, die der SS und SA angehört hatten.

Die rechtsextreme Szene radikalisierte sich zunehmend. Es wurden Wehrsportübungen abgehalten und der Umgang mit Waffen und Sprengstoff geübt. Es kam vermehrt zu Übergriffen gegen Migranten oder auch jüdische Einrichtungen. 

Aufstieg der FPÖ

1956 ging die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) aus dem VdU hervor. Mitte der 80er Jahre übernahm Jörg Haider die Partei und setzte vermehrt auf antisemitische und fremdenfeindliche Positionen, um gegen die Altparteien und Zuwanderung Stimmung zu machen. 

2000 gelang der FPÖ erstmals eine Regierungsbeteiligung – als erster rechter Partei Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Als die FPÖ 2017 erneut an die Macht kommt, durchsuchten österreichische Polizisten ein Jahr später rechtswidrig das Bundesamt für Verfassungsschutz und konfiszierten Dokumente über Rechtsextreme. 

Die Durchsuchung wurde von einem FPÖ-Politiker beauftragt - der zu der Zeit dem damaligen Innenminister und heutigen FPÖ-Spitzenkandidaten Herbert Kickl unterstellt war.

 Mitglieder ihrer Jugendorganisation Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) fallen immer wieder mit rassistischen Äußerungen und auch gewalttätigen Übergriffen gegen politisch anders Denkende auf. 

 

EIn Aufkleber mit dem Spruch "Defend Austria"
Flickr | Ivan Radic - CC BY 2.0

Rechtsextreme Vorfälle in Österreich

1965 wurde Ernst Kirchweger von einem rechtsextremen Studenten zu Tode geprügelt – das erste Opfer des Rechtsextremismus in der Zweiten Republik. In den 90er Jahren gab es eine verheerende Briefbomben-Serie, die sich gegen Liberale und Migranten richtete. Vier Menschen starben, als Täter wurde der Rechtsextreme Franz Fuchs festgenommen und verurteilt. 

2016 erschießt ein Rechtsextremer auf einem Volksfest in Vorarlberg zwei Menschen und anschließend sich selbst. 2021 wird ein Unterstützer der IBÖ und Lokalpolitiker der FPÖ festgenommen. Bei ihm wurden zahlreiche Waffen und Sprengstoff gefunden – er hatte einen Terroranschlag auf das Wiener Volksstimmefest geplant. 

Immer wieder werden in den letzten Jahren große Mengen an Waffen bei Hausdurchsuchen im rechtsextremen Milieu gefunden. Die Behörden sprechen dabei oft von Einzelfällen – dass es sich dabei auch um ein Netzwerk handeln könnte, wird kaum aufgegriffen. 

Bei tieferen Recherchen offenbaren sich allerdings Verbindungen zwischen rechtsextremen Waffenbesitzern (Zeit 2023). Eine von Bundeskanzler Nehammer beschriebene rechtsextreme Untergrundmiliz wurde später wieder als Serie von Einzelfällen behandelt. 

Der Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), Andreas Kranebitter, sieht eine zunehmende Militarisierung und Fanatisierung der rechten Szene und verortet die Gefahr rechter Terroranschläge aktuell so hoch wie seit den Neunzigerjahren. 

Dass die Gefahr von den Behörden nur teilweise verfolgt wird, könnte allerdings auch System haben. 2019 wurde bekannt, dass sich 13 österreichische Polizisten im Umfeld der IBÖ bewegen – Konsequenzen ergaben sich daraus nicht (Wiener Zeitung 2019). 2023 organisierte ein Polizist und RFS-Funktionär eine Veranstaltung des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek an der Universität Wien.

Und auch beim Bundesheer gibt es erstaunlich viele Einzelfälle (Standard 2022). Grundwehrdiener bewegen sich im Umfeld der IBÖ, in Chatgruppen teilen Offiziere antisemitische Inhalte und Soldaten sind auf Videos zu sehen, wie sie verbotene Wehrmachtslieder singen. Zwischen 2021 und 2022 hat der Standard 17 Fälle von Rechtsextremismus beim Bundesheer dokumentiert. 

 

Eine Demo gegen Rechtsextremismus in Österreich
Wiki | Haeferl - CC BY-SA 3.0

Österreich hat ein Problem mit Rechtsextremismus

Rechtsextreme Strukturen bei der österreichischen Polizei und dem Bundesheer, Neonazis, die Waffen horten und eine rechtspopulistische Partei, die aktuell stimmenstärkste Kraft im Land ist und gleichzeitig erhebliche Verbindungen ins rechtsextreme Milieu pflegt: Ein möglicher Wahlsieg der FPÖ bei den Nationalratswahlen im Herbst 2024 könnte dem Rechtsextremismus hierzulande zusätzlich Nährboden liefern. 

Das zeigt sich auch bei einem Blick in die Vergangenheit von Herbert Kickl. Der FPÖ-Spitzenkandidat lobt die IBÖ als „NGO von rechts“, spricht auf rechtsextremen Kongressen und beschäftigt einschlägige Rechtsextreme wie Alexander Höferl, vormals Autor bei der rechten Plattform unzensiert.at (Kurier 2021). Die IBÖ wirbt öffentlich für Kickl. 

Mit Kickl als zukünftigen Bundeskanzler könnte sich Österreich zu einem Land entwickeln, das rechtsextreme Ideologien schützt, verharmlost und im schlimmsten Fall sogar fördert und unterstützt. Leider scheint das viele Österreicher nicht abzuschrecken. 

Laut einer Studie von SORA aus dem Jahr 2023 vertritt bereits ein Viertel der Befragten rechtsextreme oder antisemitische Positionen (SORA 2023). Auch der Rassismus in der Bevölkerung nimmt seit Jahren zu – eine mögliche Konsequenz der mangelnden gesellschaftlichen Aufarbeitung der NS-Zeit. Der österreichische Rechtsextremismus war jedenfalls immer da. 

Umso gefährlicher und bedenklicher scheinen daher die aktuellen Entwicklungen: eine Gesellschaft am rechten Rand. Um diese Zustände zu überwinden, braucht es umfassende Veränderungen. Es braucht Maßnahmen für politische Bildung, um Wissen und kritisches Denken zu fördern, den Ausbau von interkulturellem Verständnis und Dialog sowie die Stärkung von sozialen und wirtschaftlichen Strukturen zur Bekämpfung von Unsicherheiten, um den Nährboden für rechtsextreme Ansichten zu reduzieren. 

Doch um das Umzusetzen braucht es gesellschaftlichen und politischen Druck. Grüne, Sozialdemokraten, Linke, aber auch Migranten, Geflüchtete, die LGBTQIA-Community oder Frauengruppen: Die liberalen Kräfte im Land müssen die Gefahr des Rechtsrucks für sich erkennen und handeln. Denn Veränderung kann nur gemeinsam vollzogen werden, wenn man sich zusammenschließt. 

Doch dafür braucht es neue progressive Bündnisse und Protestbewegungen, die sich dieser Entwicklung nicht unterordnen und ihren Wunsch nach Demokratie und sozialen Reformen auf die Straße bringen. 

Bessere Welt Info unterstützt soziale Bewegungen, die sich für Demokratie, politische Bildung und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Wir beziehen eindeutig Position gegen Rechtsextremismus und rechten Populismus. Wir stehen für Menschenrechte und gesellschaftliche Teilhabe – und gegen Ausgrenzung, Hass und Menschenfeindlichkeit. 

Autor: Maximilian Stark 12.02.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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