Flüchtlinge - Österreich
Ratgeber zu ➡️ Asyl und Migration in Österreich
Migration und Asyl dominieren den Wahlkampf der österreichischen Nationalratswahl 2024. Seit Jahren sind diese Themen emotional und politisch aufgeladen. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen in Europa und der wachsenden Debatte über Integration und soziale Sicherheit hat das Thema eine zentrale Rolle eingenommen. Parteien wie die FPÖ nutzen das Thema um ihre Wählerschaft zu mobilisieren, dabei spalten sie die Gesellschaft und schüren gezielt Ängste. Gleichzeitig sehen andere Parteien, insbesondere die ÖVP, sich unter Druck, eine Balance zwischen restriktiver Politik und humanitären Verpflichtungen zu finden, um Wähler nicht an die FPÖ zu verlieren.
Das Thema ist auch deshalb so brisant, weil es mit anderen wichtigen Fragen wie der sozialen Gerechtigkeit, der Wohnsituation und der Arbeitsmarktpolitik verbunden ist. Es spiegelt zudem tiefere gesellschaftliche Debatten über Identität und den Umgang mit Diversität wider, die emotionalisieren und stark polarisieren.
Bessere Welt Info widmet sich mit diesem Ratgeber dem Themenkomplex Migration und Asyl in Österreich. Wir schauen auf die konkreten Zahlen und beleuchten das Asylverfahren. Außerdem beschäftigen wir uns kritisch mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik und schauen auf die Positionen der Parteien. Abschließend werfen wir auch einen Blick auf die Situation der Geflüchteten im Land und den Schwierigkeiten, denen sie hierzulande ausgesetzt sind.
Aktuelle Zahlen zu Asyl in Österreich
In Österreich sind die Asylantragszahlen im Jahr 2024 deutlich gesunken. Bis August wurden insgesamt 16.949 Asylanträge gestellt, was einen Rückgang von 53 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Der August 2024 verzeichnete mit 1.704 Anträgen den niedrigsten Wert in diesem Jahr, 74 % weniger als im gleichen Monat 2023.
Dieser Rückgang wird auf die Stabilisierung der politischen Lage in einigen Herkunftsländern und aber vor allem auch auf verschärfte Grenzsicherung und -kontrollen zurückgeführt. Die meisten Asylwerber stammen weiterhin aus Syrien, wobei über 10.000 Anträge von Syrern eingereicht wurden. Ein auffälliger Trend ist der Rückgang der Anträge von Frauen.
Mit Anfang September 2024 befanden sich rund 71.050 Personen in der Grundversorgung, darunter eine große Zahl von Ukrainern. Diese zählen in Österreich nicht zu Asylsuchenden. Denn sie bekommen einen Aufenthaltstitel als Vertriebene, der aktuell bis März 2026 gültig ist. Mit diesem Titel können sie in Österreich arbeiten oder staatliche Leistungen erhalten. Insgesamt befinden sich aktuell über 80.000 Ukrainer in Österreich. Gleichzeitig wurden aufgrund der sinkenden Zahlen einige Bundesquartiere für Asylsuchende geschlossen, von ehemals 20 Einrichtungen sind nur noch 11 in Betrieb.
Wie läuft das Asylverfahren in Österreich?
Das Asylverfahren in Österreich beginnt mit der Antragstellung bei der Polizei oder der Bundesbetreuungsagentur. Zunächst prüft das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), ob Österreich nach der Dublin-Verordnung zuständig ist. Wenn ja, folgt eine inhaltliche Prüfung, ob Asylgründe wie Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Meinung vorliegen. Ist dies der Fall, wird Asyl gewährt. Alternativ können Antragsteller subsidiären Schutz oder humanitären Aufenthalt erhalten. Ein negativer Bescheid führt häufig zu einer Ausreiseverpflichtung.
Asylsuchende müssen oft Monate oder sogar Jahre auf eine Entscheidung über ihren Antrag warten. In dieser Zeit sind sie in einer unsicheren Situation und dürfen in der Regel keiner geregelten Arbeit nachgehen, was zu sozialer Isolation und psychischem Stress führt. Die Integration der Flüchtlinge wird dadurch erschwert und sie werden über lange Zeiträume in rechtlicher und sozialer Unsicherheit gehalten.
Wie kommen Asylsuchende nach Österreich?
Asylsuchende gelangen auf unterschiedlichen Wegen nach Österreich, wobei die meisten über Landrouten kommen. Die häufigsten Ankunftswege verlaufen über die sogenannten Balkanroute, die durch Länder wie Serbien, Ungarn und Slowenien führt. Einige Asylsuchende gelangen auch über die östliche Mittelmeerroute nach Griechenland und setzen ihre Reise nach Mitteleuropa fort. Andere gelangen über die italienische Mittelmeerroute nach Europa und reisen dann weiter nach Österreich. Ein Teil der Geflüchteten erreicht Österreich durch Familienzusammenführungen, die rechtlich geregelt sind.
Österreichische Asyl- und Migrationspolitik
Österreich hat in den letzten Jahren mehrfach seine Asylgesetze verschärft. Diese Maßnahmen werden als Ausdruck einer generell ablehnenden Haltung gegenüber Asylsuchenden angesehen. Insbesondere die Novellierungen des Asylgesetzes in den Jahren 2015 und 2016, die unter anderem die Möglichkeit einer temporären Einschränkung des Asylrechts und strengere Abschieberegelungen beinhalten, wurden scharf kritisiert. Unter der aktuellen Regierung, primär der ÖVP, wurden Grenzkontrollen intensiviert und Abschiebungen beschleunigt. Diese Verschärfungen erschweren es Asylsuchenden, Schutz in Österreich zu erhalten, und setzen sie teilweise enormen Druck aus, während ihre Anträge geprüft werden. Dies wird als Verletzung der internationalen Menschenrechtsnormen gewertet, wie etwa der Genfer Flüchtlingskonvention.
Die FPÖ vertritt dabei eine noch härtere Linie, fordert eine rigide Schließung der Grenzen und strikte Rückführungen. Sie nutzt das Thema, um populistische Kampagnen gegen Migranten und Flüchtlinge zu führen und Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren. Das führt zu einer Stigmatisierung von Asylsuchenden und fördert fremdenfeindliche Einstellungen und Islamophobie. Diese politische Instrumentalisierung verstärkt soziale Spannungen und behindert eine sachliche Debatte über die notwendigen Reformen im Asylsystem. Sie trägt auch dazu bei, dass Asylsuchende als Sündenböcke für soziale und wirtschaftliche Probleme dargestellt werden.
Im Gegensatz dazu argumentiert die SPÖ für eine humanitäre Migrationspolitik, die auch die Rechte von Schutzsuchenden respektiert und eine bessere Integration fördert. Grüne und NEOS betonen die Notwendigkeit einer nachhaltige Integrationspolitik, die Geflüchteten bessere Zugänge zu Bildung und Arbeitsmarkt eröffnet, um langfristig die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Österreichs Rolle in der EU-Asylpolitik
Auf EU-Ebene unterstützt Österreich Maßnahmen zur Stärkung der Außengrenzen und die verstärkte Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern, um die Migration nach Europa zu verringern. Diese Politik wird immer wieder in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Beispielsweise kommt es zu illegalen Pushbacks oder fragwürdige Bedingungen in Flüchtlingslagern in Drittstaaten. Zudem besteht die Gefahr, dass Flüchtlinge in unsichere Länder abgeschoben werden und der Zugang zu Asyl für Schutzsuchende noch stärker eingeschränkt wird.
Dies betrifft insbesondere Abschiebungen nach Afghanistan, aber auch in andere Krisenregionen. Menschenrechtsorganisationen werfen Österreich vor, durch diese Praxis das Prinzip des Non-Refoulement zu verletzen, das besagt, dass niemand in ein Land abgeschoben werden darf, in dem ihm Folter, unmenschliche Behandlung oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.
Das österreichische Asylsystem ist auch eingebettet in die europäische Asyl- und Migrationspolitik, speziell das Dublin-System. Dieses System sieht vor, dass das Land der Ersteinreise für das Asylverfahren verantwortlich ist, was zu einer ungleichen Verteilung von Asylsuchenden innerhalb der EU führt. Österreich hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas ausgesprochen. Kritiker werfen Österreich vor, sich aus der europäischen Verantwortung zu stehlen und die Lasten ungleich auf südliche EU-Länder wie Italien und Griechenland abzuwälzen, die mit einem überproportional hohen Zustrom von Flüchtlingen konfrontiert sind.
Die Lage von Asylsuchenden in Österreich
Asylsuchende in Österreich haben Anspruch auf Grundversorgung, was Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung umfasst. Kinder dürfen Schulen besuchen, und nach drei Monaten können Asylsuchende unter bestimmten Bedingungen arbeiten, etwa in der Saisonarbeit. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, aktiv am Asylverfahren mitzuwirken, beispielsweise bei Befragungen, und müssen sich an die Residenzpflicht halten, das heißt, in der ihnen zugewiesenen Unterkunft bleiben. Änderungen, wie ein Adresswechsel, müssen sofort gemeldet werden. Verstöße können das Verfahren negativ beeinflussen.
Die Bedingungen in den Erstaufnahmelagern und anderen Asyleinrichtungen in Österreich wurden immer wieder als prekär kritisiert. Es gibt Berichte über überfüllte Unterkünfte, mangelnde Hygiene, fehlende Privatsphäre und unzureichende medizinische Versorgung. Diese Bedingungen gelten als menschenunwürdig und führen zu einer zusätzlichen Belastung für die Betroffenen, die oft schon Traumata aus ihren Herkunftsländern mitbringen. Zudem wird bemängelt, dass es keine ausreichenden Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit gibt.
Geflüchtete haben zudem oft nur eingeschränkten Zugang zum Bildungssystem und zum Arbeitsmarkt. Besonders für Kinder und Jugendliche gibt es erhebliche Hindernisse, in das Regelschulsystem integriert zu werden. Auch für Erwachsene ist es schwierig, Sprachkurse und berufliche Ausbildungen zu absolvieren. Der Mangel an Bildung und Arbeitsmöglichkeiten erschwert die Integration in die Gesellschaft erheblich.
Langfristig werden dadurch Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben und auf gesellschaftlichen Beitrag zunichtegemacht. Es zeigt sich, dass die österreichische Asylpolitik auf Abschottung statt auf Integration setzt. Maßnahmen, die auf die Integration von Asylsuchenden abzielen, wie Sprachkurse, Bildungsangebote und Arbeitsmarktzugang, sind oft unzureichend und beschränkt.
Soziale Isolation verstärkt psychische Probleme und lässt Geflüchtete oft am Rand der Gesellschaft stehen, ohne eine klare Perspektive. Die Drohung einer möglichen Abschiebung schwebt oft wie ein Damoklesschwert über ihnen – und das jahrelang.
Die Fluchterfahrungen und das Leben in prekären Unterkünften hinterlassen bei vielen Geflüchteten zudem tiefe psychische Spuren. Traumatisierungen durch Krieg, Gewalt und Flucht werden durch die Unsicherheit und die Lebensbedingungen in Österreich oft verschärft. Der Zugang zu psychologischer Betreuung und Traumatherapie ist jedoch stark eingeschränkt - vieles bleibt unbehandelt. Es fehlt vor allem an ausreichend spezifischen Unterstützungsangeboten für geflüchtete Kinder und Jugendliche.
Geflüchtete in Österreich sind zudem oft Opfer von Diskriminierung und rassistischen Übergriffen, sowohl im Alltag als auch im Arbeitsmarkt oder im Bildungsbereich. Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile werden durch politische Rhetorik und Medienberichte zusätzlich verstärkt. Der Rassismus in der Bevölkerung nimmt seit Jahren stark zu und verstärkt die Marginalisierung von Geflüchteten.
Wie die österreichische Asylpolitik verändern?
Ein zentraler Ansatzpunkt wäre eine Reform der Asylverfahren, um diese schneller und transparenter zu gestalten. Derzeit dauern die Verfahren oft zu lange, was Unsicherheiten für die Asylsuchenden und unnötige Belastungen für das System schafft. Hier könnten klar definierte Fristen, eine bessere personelle Ausstattung der Behörden und verstärkte Schulungen für Entscheidungsträger dazu beitragen, Verfahren effizienter und fairer zu gestalten.
Wichtig wäre die Verbesserung der Integration von anerkannten Flüchtlingen und Migranten. Integration beginnt mit Sprachkenntnissen, Zugang zum Arbeitsmarkt und Bildung. Investitionen in Sprachkurse und Arbeitsmarktprogramme, die gezielt auf die Qualifikationen und Bedürfnisse der Migranten ausgerichtet sind, würden nicht nur die Integration erleichtern, sondern auch langfristig den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Auch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen sollte beschleunigt und vereinfacht werden, um Potenziale besser zu nutzen und Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Daneben ist eine verstärkte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene essenziell. Österreich sollte sich innerhalb der EU für eine gerechte Verteilung von Asylsuchenden einsetzen und sich zugleich für eine humanere Ausgestaltung der Außengrenzschutzmaßnahmen starkmachen. Eine Reform des Dublin-Systems, das bisher hauptsächlich Grenzstaaten belastet, wäre ein wichtiger Schritt, um Solidarität in Europa zu fördern und menschenwürdige Unterkünfte und Schutzverfahren entlang der gesamten EU-Grenze sicherzustellen.
Schließlich sollte Österreich seine Außenpolitik stärker auf die Bekämpfung von Fluchtursachen fokussieren. Entwicklungshilfeprogramme und Krisendiplomatie könnten dazu beitragen, die Lebensbedingungen in Herkunftsländern zu verbessern und somit den Migrationsdruck zu verringern. Insgesamt sind humane Asyl- und Migrationspolitiken nur dann nachhaltig, wenn sie von langfristigen, präventiven Maßnahmen begleitet werden.
Es ist Zeit, dass Österreich eine Migrations- und Asylpolitik verfolgt, die auf Humanität, Solidarität und Menschenrechten basiert – und sich entschieden gegen die rassistische Hetze im Land stellt. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Spaltung unserer Gesellschaft durch Angst und Hass vorangetrieben wird. Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Elend fliehen, verdienen Schutz und Chancen, nicht Ausgrenzung und Hetze.
Eine Politik, die auf Integration, Bildung und Chancengleichheit setzt, stärkt nicht nur den sozialen Zusammenhalt, sondern spiegelt auch die wahren Werte einer Demokratie wider. Eine gerechte und menschenwürdige Asylpolitik ist aber nicht nur moralisch richtig, sie sichert auch eine gemeinsame, friedliche Zukunft für alle in Österreich lebenden Menschen.
Autor: Maximilian Stark 23.09.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
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