Eine AfD-Kundgebung mit einer Menschenmenge
Flickr | Matthias Berg - CC BY-NC-ND 2.0

Kritischer Info-Ratgeber zur ➡️ AfD Thüringen - Positionen, Mitglieder, Rechtsextremismus

Am 1. September wählt Thüringen einen neuen Landtag. In aktuellen Umfragen führt die AfD mit 28% vor CDU und BSW. Bereits bei den Europawahlen im Juni konnte die AfD in Thüringen mit 30% als stimmenstärkste Kraft triumphieren – und das, obwohl es in den letzten Monaten Enthüllungen gab über ein rechtsextremes Geheimtreffen in Potsdam mit AfD-Beteiligung und die mutmaßlichen Verbindungen der beiden EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron, nach China und Russland

Trotzdem entschied sich in Ostdeutschland jeder vierte Wähler für die rechtspopulistische Partei. In Thüringen wurde sie bereits seit 2021 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, da klare „Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ festgestellt wurden. Im aktuellen Wahlprogramm äußert man dazu den Wunsch, die Behörde aufzulösen.

Ab Herbst 2024 könnte die AfD die thüringische Landespolitik maßgeblich bestimmen. Bessere Welt Info schaut auf die Struktur und Personal der AfD Thüringen, beschäftigt sich kritisch mit dem aktuellen Wahlprogramm und den Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen.

Wer ist AfD Thüringen?

Die AfD Thüringen wurde als Landesverband 2013 gegründet. 2014 übernahmen Björn Höcke und Stefan Möller die Leitung des Verbandes. Bereits in dieser Zeit wurde die Nähe zur Neuen Rechten gesucht, so war der rechte Autor Günter Scholdt als Referent 2013 beim Landesverband. 2014 zog die AfD mit 11% auch erstmals in den Thüringer Landtag ein. Bereits zu dieser Zeit gab es eine populistische Rhetorik des Landesverbandes in Bezug auf die Asylpolitik. 2019 wurde man mit 23% hinter der LINKEN bereits zweitstärkste Kraft in Thüringen. 

 

Der MdL Björn Höcke bei einer Kundgebung in Mödlareuth
Wiki | PantheraLeo1359531 - CC BY-SA 4.0

Das wohl bekannteste Mitglied der AfD Thüringen ist ihr Vorsitzender Björn Höcke. Der ehemalige Geschichtslehrer gilt als rechtsextremer Hardliner - selbst in der eigenen Partei. Seit 2020 wird er als Rechtsextremist vom Verfassungsschutz gelistet und überwacht. 2015 hatte er den parteiinternen rechtsextremen Flügel mitgegründet. Er galt als Sammelbecken besonders rechtsgerichteter und nationalistischer AfD-Mitglieder und spielte eine bedeutende Rolle in der zunehmenden Radikalisierung der Partei. 

Die Existenz des radikalen Flügels führte zu Spannungen und Konflikten innerhalb der AfD, so dass er 2020 offiziell aufgelöst wurde. Dessen politischen Aufstieg behinderte dies allerdings nicht. Beim AfD-Bundesparteitag 2022 erhielten Kandidaten des aufgelösten Flügels zwei Drittel der Sitze im Bundesvorstand und die Mehrheit im Bundesschiedsgericht. Höcke wird seitdem als einflussreichster Politiker der AfD angesehen, der aus dem Hintergrund die Parteilinie lenkt. 

Seine rechtsextreme Gesinnung ist vielmals belegt. In der NPD-Zeitung Volk in Bewegung & Der Reichsbote verfasste Höcke mutmaßlich unter einem Pseudonym mehrere Artikel, in denen das NS-Regime verherrlicht und Umsturzfantasien heraufbeschworen werden. Der AfD-Bundesvorstand beantragte daraufhin 2017 Höckes Parteiausschluss – vollzogen wurde dieser allerdings nicht. 

Zu Höckes Bekannten gehören der NPD-Politiker und militante Neonazi Thorsten Heise oder der neurechte Verleger Götz Kubitschek. Mit der neuen Rechten ist er eng verbunden, veröffentlicht in deren Kanälen und grenzte sich nie von der Identitären Bewegung (IB) ab – im Gegenteil nannte er die AfD eine "identitäre Kraft". 2020 warb er sogar öffentlich für den führenden IB-Aktivisten Martin Sellner und den rechtsextremen Verein Ein Prozent

Auch seine politischen Positionen sind dementsprechend radikal. Er fordert die konsequente Abschiebung von Migranten, die er als Bedrohung für die deutsche Kultur und Identität sieht. Zudem propagiert er eine Rückkehr zu traditionellen Werten und lehnt Multikulturalismus ab. Seine Reden und Schriften sind oft von einer völkischen Ideologie geprägt, die die ethnische Homogenität Deutschlands betont.

Ein weiteres zentrales Thema für Höcke ist die Geschichtspolitik. Er hat wiederholt gefordert, dass Deutschland eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ vollziehen solle, was bedeutet, dass er eine Neubewertung der deutschen Geschichte und insbesondere des Nationalsozialismus anstrebt. Höcke kritisiert die Art und Weise, wie Deutschland mit seiner Vergangenheit umgeht, und sieht in der Erinnerungskultur eine Form der „Schuldkultur“, die überwunden werden müsse. Diese Positionen unterstreicht er, indem er immer wieder NS-Vokabular in seine Reden einfließen lässt. 2021 beendete er eine Rede mit der SA-Losung "Alles für Deutschland" - dafür wurde er 2024 verurteilt. 

Höcke steht zudem für eine betont autoritäre Politik, die sich gegen die liberale Demokratie richtet. Er tritt für eine starke, souveräne Nation ein und lehnt die Europäische Union sowie die Globalisierung ab. Offen vertritt er auch rassistische, antisemitische oder homophobe Positionen. So bezeichnete er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“, verglich Intersexualität mit Schizophrenie oder nennt deutsche Politiker „Multikulti-Extremisten“. 

 

Eine Statistik zu rechtsextremen Gedankengut in der AfD-Wählerschaft
statista 2024

Steigender Rechtsextremismus in Thüringen

Doch auch andere Mitglieder des Thüringer AfD-Landesverbandes tragen ihre Gesinnung offen nach außen. Der stellvertretende Parteivorsitzende Torben Braga ist Mitglied der als rechtsextrem eingestuften Marburger Burschenschaft Germania. Der Landtagsabgeordnete Thomas Rudy nannte CSD-Teilnehmer „Sado-Maso-Schwule“ und wurde angezeigt, weil er ein Hakenkreuz-Fahrrad likte. 

Mit Uwe Thurm unterhält ein weiterer Abgeordneter gute Kontakte in die Reichsbürger-Szene. Jörg Henke geriet in die Kritik, weil er an einer Lesereise des islamfeindlichen Blogs Pi-News teilnahm – als einziger Rechter ist er auch Teil des NSU-Untersuchungsausschusses und hat damit weitreichende Einblicke in Ermittlungen gegen rechtsextreme Kreise. Er gehörte, wie die meisten Funktionsträger der AfD-Thüringen, wenig überraschend zu den Unterzeichnern der Erfurter Resolution, die 2015 den rechtsextremen Flügel begründete und den rechtsextremen Kurs der Partei maßgeblich prägte. 

Laut einer Recherche der ARD beschäftigte die AfD im März 2024 über 100 Mitarbeiter im Bundestag, die einer rechtsextremen Organisation angehören. So beschäftigte der Abgeordnete Jürgen Pohl aus Thüringen Frank Pasemann. Dieser war 2020 wegen Antisemitismus aus der Partei ausgeschlossen worden. Auch zur IB pflegte er gute Kontakte; ermöglichte den Auftritt von IB-Aktivisten auf einer AfD-Kundgebung. Mitglieder der AfD Thüringen unterhalten zudem Verbindungen zu der sächsischen Kleinpartei Freie Sachsen, Pegida und dem Compact-Magazin. Der Verfassungsschutz in Thüringen sieht den AfD-Landesverband als "Zentrum eines Geflechtes rechtsextremistischer oder durch Rechtsextremisten mitgeprägter Organisationen", das ein antidemokratisches "Widerstandsmilieu" bildet. 

Die Behörde nennt diesen Umstand als eine der zentralen Gründe für die Einstufung der AfD Thüringen im Jahr 2021 als rechtsextrem. Zudem wird auf die Verletzung der Menschenwürde durch die islam- und ausländerfeindlichen sowie antisemitischen und völkischen Positionen der Partei hingewiesen. Darüber hinaus werden Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip genannt, die sich unter anderem in öffentlichen Reden von AfD-Mitgliedern zeigen, die von einer angeblichen "Besetzung Deutschlands durch die Siegermächte" sprechen oder die verfassungsmäßige Ordnung als angeblich diktatorisches System darstellen.

Doch rechtsextremes Potenzial lässt sich nicht nur in der AfD Thüringen finden, sondern im ganzen Bundesland. Laut der Studie Thüringen-Monitor von 2023 vertritt jeder Fünfte eine rechtsextreme Einstellung – das entspricht 20% der Bürger. Trotz eines Ausländeranteils in Thüringen von nur 7,6% empfanden mehr als die Hälfte der Befragten Deutschland als "überfremdet". 2023 wurden zwar mit 147 rechten Angriffen weniger als noch im Vorjahr registriert, dennoch liegt die Quote rechtsextremer Straftaten in Thüringen überdurchschnittlich hoch. 

Insgesamt wurden 1.835 rechte Straftaten 2023 in Thüringen registriert. Die letzte vom Verfassungsschutz veröffentlichte Einschätzung des rechtsextremen Personenpotenzials spricht von 2.180 Personen im Jahr 2020. Mittlerweile dürfte die Zahl deutlich höher ausfallen, da seit 2021 auch die AfD Thüringen und ihre Mitglieder als Rechtsextremisten gelistet werden. 

Als Grund für den Anstieg rechter Tendenzen und zunehmenden Zuspruch für die AfD in Thüringen wird die hohe gesellschaftliche Polarisierung genannt: steigende Inflation, Kriege und zunehmende Energie- und Lebenskosten. Die Menschen erleben das als existenzielle Bedrohung. Im Osten spielt auch die soziale Benachteiligung eine Rolle in dieser Entwicklung. Nach wie vor verdient man im Osten bis zu 15% weniger als im Westen oder hat schlechtere Aufstiegschancen. Guter Nährboden für die AfD, die mit rechtem Populismus versucht, die Unzufriedenheit und Angst der Bürger für ihre Zwecke zu nutzen. 

 

Eine AfD-Demo; vorn ein Mann mit einem AfD-Plakat
Flickr | Matthias Berg - CC BY-NC-ND 2.0

Was fordert die AfD Thüringen?

Für die Landtagswahl 2024 fordert die AfD Thüringen umfassende Reformen in der Asyl- und Migrationspolitik. Die Partei möchte die Einwanderung stark begrenzen, indem sie pauschale Zuwanderungskontingente und Umverteilungsquoten ablehnt und striktere Asylverfahren einführt. Sie fordert die Abschaffung von Kirchenasyl und plädiert für Abschiebeanstalten, abseits von Städten und Ballungsgebieten. 

Außerdem sollen Sozialleistungen für Asylbewerber ausschließlich als Sachleistungen erbracht werden, die Gesundheitskarte abgeschafft und die Unterbringungs- und Versorgungsstandards gesenkt werden. Die AfD fordert auch eine „Remigrationsagenda“, die den Schwerpunkt auf die Rückkehr von Asylbewerbern legt, sowie eine deutliche Erhöhung der Abschiebungen. Als Bundesland möchte man eigene Abschiebeflüge im Rahmen einer „Abschiebeinitiative“ organisieren. 

Um die innere Sicherheit zu gewährleisten, soll die Polizei verstärkt und mit Teasern und Bodycams ausgestattet werden. Dagegen will die AfD die Finanzierung des Verfassungsschutzes beenden, da sie ihn als Werkzeug zur Unterdrückung oppositioneller Meinungen sieht. Man nennt vor allem Ausländerkriminalität und linksextremen Terror als Bedrohung und will diese Bereiche stärker verfolgen. Bezüglich des Waffenrechts stellt man sich gegen eine Verschärfung der Gesetzeslage. 

Die AfD will das gegliederte Schulsystem stärken und setzt auf eine Differenzierung nach Leistung und Begabung der Schüler. Die Partei betont die Vermittlung traditioneller Werte und Tugenden im Bildungssystem. Sie kritisiert die Inklusion von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelschulen und fordert spezielle Förderschulen. Gendersprache, Lehren über sexuelle Praktiken oder queere Lebensmodelle sollen in der Schule nicht vermittelt werden. Auch an Universitäten sollen Wissenschaften wie Genderforschung abgeschafft werden und Nicht-EU-Bürger separate Studiengebühren zahlen. 

Eine zentrale Forderung ist die Senkung von Steuern, Staatseingriffen und Abgaben. Die AfD fordert die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und der CO2-Steuer oder die Senkung des Spitzensteuersatzes. Die AfD setzt sich für den Abbau von Subventionen ein und möchte die Abwanderung von Fachkräften durch lokale Steuererleichterungen bekämpfen. Man strebt neue Handelsbeziehungen mit Russland an und plädiert für ein Ende der Sanktionspolitik. 

Die AfD möchte die deutsche Kultur und Identität stärker betonen und schützen. Die Partei lehnt Multikulturalismus ab und setzt sich für die Förderung der deutschen Leitkultur ein. Traditionen und regionale Identitäten sollen stärker gefördert und bewahrt werden. Deutsch soll als Landessprache in der Thüringer Verfassung verankert werden. Die Finanzierung der öffentlichen Medien soll beendet und Rundfunkgebühren sollen abgeschafft werden. 

Die AfD will die klassische Familie stärker unterstützen und setzt sich für mehr finanzielle Anreize für Familien mit Kindern ein. Familien sollen ein Kinderbegrüßungsgeld von bis zu 10.000 € erhalten. Dagegen stellt man sich gegen die Verankerung der Kinderrechte in der Landesverfassung. Sozialleistungen sieht man als ein Instrument, das Menschen in die „Abhängigkeit und Unmündigkeit“ führt. Das Bürgergeld soll durch eine „aktivierende Grundsicherung“ ersetzt werden. Sozialer Wohnraum soll nur Einheimischen zur Verfügung stehen und Initiativen, die sich für zivilgesellschaftliche oder demokratiefördernde Belange einsetzen, keine staatlichen Finanzierungen mehr erhalten und die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. 

Die AfD Thüringen fordert im Bereich Klima und Umwelt eine Abkehr von der aktuellen Politik, die sie als ideologisch motiviert und wirtschaftlich schädlich betrachtet. Man wirbt für den Individualverkehr, den Verbrennermotor und die Automobilindustrie. Der Bau von Windkraftanlagen speziell in Wäldern soll untersagt werden; das gilt auch für Photovoltaik-Anlagen auf bestimmten Flächen. Strom soll hauptsächlich aus Gas gewonnen werden. Dafür möchte man wieder Erdgas aus Russland importieren und die Nord-Stream-Pipeline reparieren. Auch die Kernenergie soll ausgebaut und genutzt werden. 

 

Eine Anti-AfD Demo mit einem Plakat gegen Höcke
flickr | Sabrina Gröschke - CC BY-NC-ND 2.0

Wie umgehen mit der AfD Thüringen?

Die AfD Thüringen ist laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextrem und vertritt klar antidemokratische Positionen. Warum wählen Menschen eine solche Partei? Ein Hauptgrund ist die zunehmende sozioökonomische Unsicherheit, die durch Globalisierung, technologische Veränderungen und neoliberale Wirtschaftspolitik verstärkt wird, besonders in den strukturschwachen Teilen Ostdeutschlands.

Viele fühlen sich von etablierten Parteien nicht mehr repräsentiert. Diese Unsicherheit begünstigt rechtsextreme Ideologien, die einfache Antworten und Sündenböcke für komplexe Probleme bieten. Die AfD mobilisiert Anhänger durch Angst und Ressentiments gegen Minderheiten.

Diese Identitätspolitik führt dazu, dass Skandale oft als Angriffe auf die eigene Gruppe wahrgenommen werden, was die Unterstützung für die Partei paradoxerweise stärkt. Die AfD nutzt geschickt soziale Medien, um ihre Botschaften direkt zu verbreiten und Filterblasen zu schaffen, die Feindbilder konstruieren.

Um die AfD zu schwächen, müssen progressive Parteien eine klare Vision entwickeln und auf die Sorgen der Bürger eingehen, besonders in strukturschwachen Regionen. Maßnahmen zur Stärkung sozialer Gerechtigkeit, wie Investitionen in Bildung, Infrastruktur und faire Löhne, sind erforderlich. Gleichzeitig müssen rechtsextreme Positionen der AfD entlarvt und widerlegt werden, unterstützt durch eine sachliche und kritische Berichterstattung der Medien.

Ein starker Fokus sollte auf der Förderung von Demokratie, Toleranz und Vielfalt liegen, indem zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützt, breite Bündnisse geschmiedet und politische Bildung gestärkt werden. Der Dialog mit den Bürgern muss intensiviert werden, besonders in Ostdeutschland. 

Durch eine Kombination aus politischem Handeln, gesellschaftlichem Engagement und gezielter Kommunikation kann die AfD nachhaltig entzaubert werden. Sie steht nicht für soziale Gerechtigkeit oder Demokratie, sondern für Ausgrenzung und Spaltung. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen gegen den Hass!

Autor: Maximilian Stark 09.07.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

Für mehr Infos lies unten weiter ⬇️

Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (Dr. Norbert Stute, Österreich) würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: