WOHNEN & Mieten

➡️ Wohnen und Mieten in Deutschland - Ein kritischer Blick auf die aktuelle Lage
Die soziale Ungleichheit in Deutschland nimmt zu. Ein Bereich, der sich besonders prekär entwickelt: Wohnen. Eine Studie des Pestel-Instituts von 2024 zeigt, dass in Deutschland rund 800.000 Wohnungen fehlen – bei den Sozialwohnungen sind es zusätzlich 910.000 Einheiten. In den 77 deutschen Großstädten ist die Lage nochmals angespannter. Dort fehlen 1,9 Millionen günstige Wohnungen unter 45 Quadratmetern, die besonders für Einpersonenhaushalte wichtig sind.
Beliebte Städte wie Berlin, Hamburg und Köln sind besonders betroffen. In den letzten zehn Jahren sind die Mieten dort überproportional gestiegen – teils um bis zu 104 %. So haben sich die Mieten in Berlin zwischen 2014 und 2023 auf durchschnittlich 16,4 Euro pro Quadratmeter verdoppelt. Auch WG-Zimmer sind mit durchschnittlich 650 Euro unter den teuersten Preisen in Deutschland. München mit durchschnittlich 20,6 Euro pro Quadratmeter und durchschnittlich 790 Euro für ein WG-Zimmer die teuerste Stadt Deutschlands.
Derzeit wohnen laut Deutschem Mieterbund mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland zur Miete, also rund 42 Millionen. Über ein Drittel – etwa 14 Millionen Menschen – sind durch hohe Wohnkosten belastet, da sie mehr als 30 % ihres Nettoeinkommens für Kaltmiete und Heizkosten ausgeben. Besonders kritisch ist die Lage für 6 Millionen Menschen, die sogar über 40 % ihres Einkommens hierfür aufwenden müssen. Bundesweit stiegen die Angebotsmieten zwischen 2010 und 2022 um 50 %, während die Bestandsmieten um 20 % zunahmen.
Besonders angespannt ist die Lage in den deutschen Großstädten: Fast 13 % der Mieterhaushalte haben dort nach Abzug der Miete weniger als das Existenzminimum zur Verfügung. In Städten wie Köln, Bremen und Bremerhaven liegt die Mietbelastungsquote bei über 45 %.

Es mangelt an Sozialwohnungen
Zudem sinkt der staatlich geförderte Wohnbereich. Ende 2023 lag der Bestand an Sozialwohnungen in Deutschland bei etwa 1,1 Millionen. Das entspricht einem Rückgang von rund 18.000 Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr. 1987 lag der Anteil noch bei 3,9 Millionen Sozialwohnungen. Doch seit den 1990er Jahren hat sich der Staat zunehmend aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückgezogen - ein Rückgang der Neubauten in diesem Segment und die Übernahme der Privatwirtschaft waren die Konsequenzen. Zudem haben einige Städte aus kurzsichtigem Profitinteresse ihre Sozialwohnungen an private Investoren verkauft, was den Bestand weiter reduzierte.
Trotz der ambitionierten Ziele der Ampel-Regierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, darunter 100.000 Sozialwohnungen, kam der Wohnungsbau in den letzten Jahren kaum voran. Ein zentraler Grund sind die stark gestiegenen Baukosten, die durch höhere Materialpreise und Zinsen den Bau von Sozialwohnungen zunehmend unattraktiv machen. Gleichzeitig bremsen langwierige Genehmigungsverfahren und bürokratische Hürden viele Projekte aus.
Besonders schwerwiegend ist der Rückgang der Baugenehmigungen: Im ersten Halbjahr 2024 wurden 21 % weniger Neubauten genehmigt als im Vorjahr, bei Einfamilienhäusern lag der Rückgang sogar bei 31 %. Zusätzlich verschärft der Fachkräftemangel im Baugewerbe die Situation, da es an ausreichenden Arbeitskräften für die Umsetzung großer Bauprojekte fehlt. Diese Faktoren sorgen dafür, dass die ambitionierten Wohnungsbauziele der Bundesregierung nicht erreicht wurden und der Mangel an Sozialwohnungen weiter wächst.

Zunehmende Wohnarmut und Wohnungslosigkeit
Die finanzielle Belastung führt viele Menschen zunehmend in die Wohnarmut, die entsteht, wenn Wohnkosten unverhältnismäßig hoch sind oder die Wohnverhältnisse unzumutbar werden. Vor allem junge Menschen sind betroffen. So zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, dass Studierende im Schnitt 54 % ihres Haushaltseinkommens nutzen, um ihre Miete zu bezahlen. Bei Auszubildenden beträgt der Anteil 42 %.
Besonders gefährdet sind zudem Alleinerziehende, Rentner mit niedrigen Bezügen und Menschen mit Migrationshintergrund, die oft schlechteren Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben und stärker von Verdrängung oder Wohnungslosigkeit bedroht sind. Vor diesem Hintergrund ist es alarmierend, dass aktuell knapp 18 Millionen Menschen in Deutschland als armutsgefährdet gelten.
Auch die Wohnungslosigkeit in Deutschland bleibt ein drängendes Problem: Anfang 2024 waren insgesamt 531.000 Menschen ohne eigene Wohnung. Etwa 439.500 Personen waren in Not- oder Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, während 47.300 Menschen ohne jegliche Unterkunft auf der Straße lebten. Zudem fanden 60.400 Personen vorübergehend bei Freunden oder Verwandten Unterschlupf.
Vor allem junge Menschen geraten zunehmend in die Wohnungslosigkeit: Laut Statistischem Bundesamt waren 2024 etwa 40 % der untergebrachten wohnungslosen Personen unter 25 Jahren. Diese Entwicklung korreliert mit der hohen Armutsgefährdung junger Erwachsener; 2023 lag die Quote in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen bei 25 %.

Spekulation und fragwürdige Immobilienkonzerne
Dabei stehen über 2 Millionen Wohnungen in Deutschland leer – häufig sind es Spekulationsobjekte. Vor allem große Immobilienkonzerne stehen aufgrund von Spekulation und anderer fragwürdigen Geschäftspraktiken immer wieder in der Kritik. So führt ihr renditegetriebenes Handeln häufig zu negativen sozialen Auswirkungen.
Denn wirtschaftliche Profitabilität geht immer vor sozialer Verantwortung. Bereits 2005 wurde das kurzfristige Gewinnstreben von Unternehmen wie der Deutschen Annington kritisiert – mangelhafte Instandhaltung, teure Modernisierungen und intransparente Nebenkosten-Abrechnungen. Modernisierungskosten werden häufig auf die Miete umgelegt, was zu drastischen Mietsteigerungen führt. An diesen Praktiken hat sich in 20 Jahren kaum etwas geändert - eher verschlimmert. Immobilienkonzerne können nach wie vor durch aggressive Mietpreiserhöhungen und Kostensenkungen ihre Gewinne steigern, während Investitionen in Instandhaltung und soziale Wohnraumförderung vernachlässigt werden.
Sozial schwächere Mieter werden durch gezielte Gentrifizierung aus ihren angestammten Vierteln verdrängt (siehe auch Zwischennutzungen), während politische Gegenmaßnahmen kaum umgesetzt werden. Denn Immobilienkonzerne beeinflussen durch Lobbyarbeit wohnungspolitische Entscheidungen, blockieren Maßnahmen wie Mietpreisbremsen zum Schutz der Mieter, um ihre Renditen zu sichern. Andererseits profitieren sie von staatlichen Fördergeldern, beispielsweise für energetische Sanierungen, ohne dass dies zwingend zu einer besseren Wohnsituation führt.

Die Parteien zu Wohnen und Mieten
Als Reaktion auf diese Entwicklungen formierte sich in Berlin "Deutsche Wohnen & Co. enteignen". Die Initiative forderte, große private Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen – darunter Vonovia und Deutsche Wohnen – zu enteignen und deren Wohnraum in eine gemeinnützige, öffentliche Verwaltung zu überführen. Ziel war es, die Mieten langfristig zu stabilisieren und Spekulation mit Wohnraum zu verhindern. 2021 stimmten 60 % der Berliner dem Volksentscheid zu – doch die Umsetzung ist bislang nicht passiert.
Eine Expertenkommission kam 2023 zu dem Schluss, dass eine Enteignung grundsätzlich rechtlich möglich sei. Trotzdem zögerte die SPD-geführte Senatsverwaltung weiterhin, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Auch unter dem neuen schwarz-rote Senat hat sich nichts bewegt, so dass nun ein neuer Volksentscheid organisiert werden soll. Auf parteipolitischer Ebene wird dieses Vorhaben nur von Die Linke explizit unterstützt. In ihrem Wahlprogramm anlässlich der Bundestagswahlen 2025 forderte die Partei einen bundesweiten Mietendeckel, die Enteignung großer Wohnungsunternehmen, Housing First für Obdachlose und einen sechsjährigen Stopp von Mieterhöhungen.
Die CDU in Deutschland fokussierte sich auf die Förderung von Wohneigentum und die Beseitigung bürokratischer Hürden im Wohnungsbau ohne auf die sozialen Hintergründe einzugehen. Konkrete Maßnahmen zum Mieterschutz, Mietendeckel oder der Bekämpfung von Obdachlosigkeit oder Immobilienspekulation blieben aus. Zwar setzt sich ihr wahrscheinlicher Juniorpartner, die SPD, für eine unbefristete Verlängerung der Mietpreisbremse ein und betont die Notwendigkeit einer soliden Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Doch ob dahinter eine konsequente Politik steht, lässt sich, angesichts der SPD-Blockade des Berliner Volksentscheides oder der verfehlten Mietpolitik der Ampel-Regierung, stark anzweifeln.
Denn die Wohnpolitik der Ampel scheiterte weitgehend an ihrem Ziel. Zwar forderten die SPD und die Grünen stärkeren Mieterschutz, doch die FDP blockierte striktere Regulierungen, wodurch Maßnahmen wie ein bundesweiter Mietendeckel nicht umgesetzt wurden. Statt einer wirksamen sozial orientierten Wohnpolitik setzte die Regierung auf steuerliche Anreize für Bauherren, die jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kaum Wirkung zeigten.

Die deutsche Wohnpolitik muss sich ändern
Es zeigt sich: Deutschland braucht dringend Veränderungen, um die schwierige Wohn- und Mietsituation zu entkräften. Wohnen ist ein grundlegendes Menschenrecht; doch in Deutschland wird es zunehmend zum Luxus. Immer mehr Menschen kämpfen mit unbezahlbaren Mieten, Wohnraummangel und Verdrängung. Anstatt Wohnraum als reine Ware zu behandeln, muss die Politik endlich handeln und sicherstellen, dass jeder Mensch ein sicheres und bezahlbares Zuhause hat.
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist der verstärkte soziale Wohnungsbau. Der Staat muss endlich stärker in den Bau von geförderten Wohnungen investieren und Anreize für private Investoren schaffen, um den Bestand an bezahlbarem Wohnraum zu vergrößern. Auch eine verstärkte Nachverdichtung in Städten sowie die Umnutzung von Leerstand könnten zusätzlichen Wohnraum schaffen, ohne dabei wertvolle Flächen zu versiegeln.
Zudem sollten Mieterschutzmaßnahmen verbessert werden. Eine bundesweite, schärfere Mietpreisbremse könnte verhindern, dass Mieten in angespannten Gebieten weiter steigen. Ergänzend wäre eine Deckelung von Modernisierungsumlagen sinnvoll, um Mieter vor übermäßigen Kostensteigerungen durch Luxussanierungen zu schützen. Gleichzeitig sollten langfristige Mietverträge gefördert werden, um mehr Planungssicherheit für Mieter zu schaffen.
Ein weiterer Punkt ist die Vereinfachung und Beschleunigung von Bauprozessen. Bürokratische Hürden und lange Genehmigungsverfahren müssen reduziert werden. Eine Digitalisierung der Bauanträge, standardisierte Verfahren und eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen könnten hierbei helfen. Auch steuerliche Anreize für den Wohnungsbau, wie eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Bauleistungen, könnten Investitionen attraktiver machen.
Schließlich wäre eine gerechtere Bodenpolitik notwendig. Die Spekulation mit Bauland treibt die Preise unnötig in die Höhe. Kommunen sollten verstärkt Vorkaufsrechte nutzen und eine aktive Bodenpolitik betreiben, um Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau zu sichern. Eine stärkere Förderung von Genossenschaften und gemeinschaftlichen Wohnprojekten wie dem GeKu-Haus in Essen oder dem Kompott in Chemnitz könnte zudem dazu beitragen, langfristig stabile und bezahlbare Mietverhältnisse zu schaffen.
Es ist höchste Zeit für eine Wohnpolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert – nicht an den Interessen großer Investoren. Städte und Kommunen müssen gestärkt werden, um Wohnraum dauerhaft bezahlbar zu halten. Niemand sollte Angst haben müssen, durch eine Kündigung oder eine untragbare Mieterhöhung sein Zuhause zu verlieren. Wohnen darf kein Privileg sein, sondern muss für alle zugänglich bleiben. Denn eine Gesellschaft, die nicht für das Zuhause ihrer Menschen sorgt, verliert ihre Menschlichkeit. Wohnen ist kein Privileg, sondern ein unveräußerliches Recht!
Autor: Maximilian Stark 11.03.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0
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