Eine Demo mit mehreren Teilnehmern gegen Kinderarmut
Flickr | Fraktion Die LINKE - CC BY 2.0

Sozialpolitik - Aktuelle Lage und Parteien

Ein zentrales Anliegen der vergangenen Ampel-Regierung war die Modernisierung des Sozialstaats, insbesondere durch die Einführung des Bürgergeldes, das das bisherige Hartz-IV-System ersetzte. Ziel war es, die soziale Absicherung zu verbessern und den Betroffenen mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Trotz dieser Reformen stieg die Arbeitslosenquote im Jahr 2024 auf 6 % und brachte schlussendlich kaum spürbare Veränderungen für Betroffene, da die Regelsätze nur geringfügig angehoben wurden. 

Dafür wurden Weiterbildungen zugänglicher, Kürzungen begrenzt und eine Karenzzeit eingeführt. Durch die Reform des Wohngeldes und eine Erhöhung der Regelsätze konnten immerhin 80 % mehr Haushalte unterstützt werden. Die konservativen Parteien wollen diese Maßnahmen nun aber wieder abschaffen.

Auch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde im Oktober 2022 wurde von der Ampel-Regierung als bedeutender sozialpolitischer Erfolg gefeiert, da sie Millionen von Arbeitnehmern eine spürbare Einkommenssteigerung bringen sollte. Angesichts der Inflation und steigender Lebenshaltungskosten waren die realen Verbesserungen für viele Haushalte allerdings bescheiden. Die SPD, Die Grünen, Die Linke und das BSW werben aktuell für einen Mindestlohn von 15 €. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) unterstützt diese Forderung und verweist auf eine EU-Richtlinie, die einen Mindestlohn von 60 % des Medianlohns empfiehlt, was in Deutschland etwa 15 Euro entsprechen würde. 

Im Bereich der Rentenpolitik bemühte sich die Regierung, das Rentenniveau stabil zu halten und eine drohende Altersarmut zu verhindern. Dennoch blieb die finanzielle Lage vieler Rentner angespannt. In Deutschland galten 2023 über 18 % der Menschen ab 65 Jahren als armutsgefährdet. Auch Kinder waren stark betroffen, denn die Armutsgefährdungsquote unter den unter 18-Jährigen lag bei 20,7 %. Insgesamt waren 16,6 % der deutschen Bevölkerung armutsgefährdet, was 14,1 Millionen Menschen entspricht. Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren waren überproportional betroffen, mit einer Armutsgefährdungsquote von 25 %.

Besonders prekär ist auch die Wohnpolitik. Es gibt einen massiven Mangel an bezahlbarem Wohnraum, vor allem in Ballungsräumen, während gleichzeitig die Baukosten durch gestiegene Materialpreise, hohe Zinsen und verschärfte energetische Auflagen enorm gestiegen sind. Hinzu kommt ein jahrelanger Rückgang im sozialen Wohnungsbau, da viele Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, ohne dass ausreichend neue hinzukommen. Trotz angekündigter Investitionen in den sozialen Wohnungsbau konnte die Regierung die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht entscheidend verbessern.

So strebte die Regierung den Bau von jährlich 400.000 neuen Wohnungen an, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Im Jahr 2023 wurden jedoch nur 49.430 Sozialwohnungen neu gefördert. Die Gründe dafür sind lange Genehmigungsverfahren, hohe bürokratische Hürden und eine unzureichende Förderung des Wohnungsbaus. Die geplante Reform des Mietrechts mit einer Begrenzung von Mieterhöhungen und einer stärkeren Regulierung der Mietspiegel hat hingegen bisher kaum konkrete Fortschritte gezeigt. Auch die angekündigten Förderprogramme für klimaneutrale Sanierungen von Bestandsgebäuden gelten als unzureichend, da sie weder kosteneffizient noch einfach zugänglich sind.

 

Eine Statistik zu Armut in Deutschland nach Altersklassen
Statista 2023

"Die Sozialpolitik der Ampel war konservativ, sie hat bestehende Ungleichheiten fort- und festgeschrieben.", dieses Fazit zieht Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands (nd 2024(link is external)). Die Unzufriedenheit mit der Sozialpolitik spiegelte sich auch in der öffentlichen Meinung wider. Eine Studie aus dem Jahr 2024 zeigte, dass 40 % der Deutschen mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden sind; in Ostdeutschland waren es sogar 53 % (ZDF 2024(link is external)). Diese Unzufriedenheit wurde unter anderem auf die wachsende soziale Ungleichheit und fehlende Repräsentation zurückgeführt.

 

 

Parteien zur Sozialpolitik

CDU

Die CDU fokussiert sich auf die Stärkung von Arbeitsanreizen und den Erhalt eines soliden Rentensystems. Sie betont, dass Rentenkürzungen ausgeschlossen sind und hält am bestehenden Renteneintrittsalter fest. Zusätzlich plant sie die Einführung einer Aktivrente, die es ermöglicht, freiwillig über das gesetzliche Rentenalter hinaus zu arbeiten und dabei bis zu 2.000 Euro steuerfrei zu verdienen. Um frühzeitige Altersvorsorge zu fördern, soll eine Frühstart-Rente eingeführt werden, bei der junge Menschen ab sechs Jahren mit monatlichen Einzahlungen in ein Depot für das Alter sparen können. Der Mindestlohn bleibt ein zentrales Thema, wobei die CDU keine konkreten Zahlen nennt und stattdessen auf die Rolle der Mindestlohnkommission und die Tarifautonomie setzt. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung plant die CDU, die Arbeitsvermittlung zu modernisieren. Das Bürgergeld möchte man wieder abschaffen und durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzt werden. Wer sich Arbeit verweigert, soll eine komplette Leistungskürzung erhalten.

SPD

Die SPD legt den Fokus auf soziale Gerechtigkeit und die Stärkung des Sozialstaats. Ein zentrales Ziel ist die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde ab 2026, um vor allem Geringverdiener besser abzusichern. Eine umfassende Steuerreform ist ebenfalls geplant, die 95 % der Steuerzahler entlasten und das oberste 1 % der Einkommen stärker belasten soll z.B. durch eine Vermögenssteuer. Zudem will die SPD die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel dauerhaft von 7 auf 5 % senken, um insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen zu entlasten. Familien stehen im Mittelpunkt der sozialpolitischen Maßnahmen: Das Elterngeld soll von 14 auf 18 Monate verlängert werden, sofern beide Elternteile jeweils mindestens sechs Monate Elternzeit nehmen. Im Bereich der Rente setzt die SPD auf Stabilität und Fairness. Das Rentenniveau soll dauerhaft auf mindestens 48 % des durchschnittlichen Einkommens gesichert werden, ohne das Renteneintrittsalter anzuheben. Ergänzend dazu plant die Partei Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, um den steigenden Mieten entgegenzuwirken, sowie die Einführung einer Kindergrundsicherung, die bestehende Leistungen für Kinder bündelt und zielgerichtet einkommensschwache Familien unterstützt.

Bündnis 90/Die Grünen

Bündnis 90/Die Grünen setzen auf eine Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit. Sie planen, Investitionen in den Klimaschutz und die Energiewende mit sozialen Maßnahmen zu verknüpfen. Finanziert werden soll dies durch eine stärkere Besteuerung von Wohlhabenden, einschließlich der Wiedereinführung der Vermögensteuer und der Erhöhung des Spitzensteuersatzes. In der Arbeitsmarktpolitik streben die Grünen die Einführung eines sozialen Arbeitsmarkts an, der Langzeitarbeitslosen durch staatlich geförderte Beschäftigungsprogramme eine Perspektive bietet. Auch der Mindestlohn soll weiter auf 15 € erhöht werden. Im Bereich Wohnen setzen die Grünen auf einen bundesweiten Mietendeckel und massive Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, um die Wohnkostenkrise zu entschärfen. In der Familienpolitik wollen sie die Kindergrundsicherung umsetzen, die verschiedene familienbezogene Leistungen bündelt und besonders einkommensschwache Familien unterstützt.

 

Die Steuerpläne der Parteien anlässlich der BTW 2025
statista 2025

AfD

Die AfD setzt sich für eine Reduzierung von Sozialleistungen ein, um nach ihrer Ansicht den "Anreiz für Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem" zu verringern. Sie fordert eine strikte Kontrolle des Missbrauchs von Sozialleistungen und plädiert für eine stärkere Fokussierung auf deutsche Staatsbürger bei der Vergabe von Sozialhilfen. "Hunderttausende arbeitsfähige Bürgergeldempfänger sollen in den Arbeitsmarkt" zurückgebracht werden – auch durch ein neues Arbeitslosengeld, auf das man erst nach drei Jahren Einzahlung Anrecht hat. Die Partei plant finanzielle Anreize zur Förderung der traditionellen Familie, darunter höhere steuerliche Freibeträge und ein Familiengeld. Im Bereich der Rentenpolitik fordert die AfD eine Erhöhung der Leistungen für deutsche Staatsbürger, insbesondere für Menschen, die viele Jahre in das Rentensystem eingezahlt haben. Gleichzeitig lehnt sie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters kategorisch ab. In der Vergangenheit hatte man sich gegen eine Erhöhung des Mindestlohns, Ausweitung des Streikrechts, Arbeitsschutzmaßnahmen, Mietpreisbremse oder Mindestvergütung für Auszubildende ausgesprochen.

FDP

Die FDP verfolgt eine sozialpolitische Agenda, die auf Eigenverantwortung, wirtschaftliche Anreize und Reformen zur langfristigen Stabilität des Sozialsystems setzt. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung strebt die FDP eine Flexibilisierung der Beiträge an, sodass Arbeitnehmer und Arbeitgeber von geringeren Beiträgen profitieren können, wodurch mehr Netto vom Brutto verbleiben soll. Einen Mindestlohn lehnt man ab. Eine zentrale Forderung ist die Einführung einer gesetzlichen Aktienrente, bei der ein Teil der Rentenbeiträge in einen staatlich verwalteten, aber privatwirtschaftlich orientierten Fonds investiert wird. Ziel ist es, die gesetzliche Rentenversicherung durch kapitalgedeckte Elemente zu ergänzen und so zukunftssicher zu machen. Das Bürgergeld soll gesenkt und grundlegend reformiert werden, indem stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme geschaffen und Sanktionen bei fehlender Eigeninitiative verschärft werden. Zudem strebt sie eine Deregulierung des Mietmarktes an, um den Wohnungsbau zu fördern und den Wohnungsmarkt zu entlasten

Die Linke 

Die Die Linke fordert einen bundesweiten Mietendeckel, um Mieterhöhungen zu begrenzen, und die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Hygieneprodukte und Nahverkehrstickets. Zudem plant sie eine Reform der Einkommensteuer, bei der Einkommen unter 7.000 Euro brutto im Monat weniger Steuern zahlen sollen, während der Spitzensteuersatz auf 53 % erhöht wird. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer für Millionäre und Milliardäre ist ebenfalls vorgesehen. Im Gesundheitsbereich strebt die Linke eine Krankenversicherung an, in die alle einzahlen, wodurch der Beitrag von 17,1 auf etwa 13,3 % sinken soll. Zudem soll der Mindestlohn auf 15 Euro erhöht und eine sanktionsfreie Mindestsicherung sowie eine solidarische Mindestrente von 1.400 Euro monatlich eingeführt werden.

BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht verfolgt eine sozialpolitische Agenda, die auf die Bekämpfung sozialer Ungleichheit und die Umverteilung des Wohlstands abzielt. Ein zentrales Element ist die Einführung eines garantierten Existenzminimums, das Hartz IV und das Bürgergeld ersetzen soll, um Armut zu bekämpfen und die soziale Absicherung zu verbessern. Im Bereich der Rentenpolitik fordert das BSW eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung und eine solidarische Mindestrente, um Altersarmut zu verhindern. Zudem setzt sich die Partei für den Bau von 500.000 neuen sozialen Wohnungen jährlich und strengere Mietpreisregulierungen ein, um die Wohnungsnot zu lindern. In der Arbeitsmarktpolitik fordert das BSW einen Mindestlohn von 15 Euro, die Abschaffung befristeter Arbeitsverhältnisse und eine Arbeitszeitverkürzung, um die Lebensqualität der Arbeitnehmer zu steigern und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen. Eine Bürgerversicherung und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege sollen durch die stärkere Besteuerung von Reichen finanziert werden. 

 

Eine Kundgebung für höhere Löhne in Berlin 2022
Flickr | DIE LINKE - CC BY 2.0

Gerechte Sozialpolitik für Deutschland?

Sowohl bei der CDU als auch bei der AfD und der FDP droht, dass soziale Sicherheit zugunsten von Sparmaßnahmen, Eigenverantwortung oder ideologisch geprägten Programmen geopfert wird. Dies wird zu einer wachsenden sozialen Spaltung führen, in der besonders einkommensschwache, ältere und benachteiligte Gruppen verstärkt unter Druck geraten. Vor allem höhere Einkommensschichten würden von dieser Politik massiv profitieren. 

Angesichts einer alternden Gesellschaft und wachsender globaler Unsicherheiten braucht Deutschland jedoch eine zukunftsorientierte Sozialpolitik, die den sozialen Ausgleich fördert, Investitionen in Bildung, Pflege und Klimaschutz tätigt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Die Konzentration auf kurzsichtige Sparmaßnahmen oder ausgrenzende Programme wird die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes verschärfen und die Solidarität innerhalb der Gesellschaft untergraben. Die Maßnahmen, die sich in den Wahlprogrammen von SPD, Die Linke, Die Grüne und dem BSW finden, würden da zumindest etwas entgegenwirken und untere bis mittlere Einkommensgruppen entlassen.

Doch die mangelnde Relevanz und Umsetzungskraft der Sozialpolitik in Deutschland ist jedoch kein Versäumnis einzelner Parteien, sondern spiegelt ein tieferliegendes Problem wider. Das zeigt sich auch mit Blick auf die letzte Regierung unter FDP, Grünen und SPD. Wobei zumindest die beiden letzteren immer wieder für soziale Maßnahmen lobbyiert haben, war die Bilanz schlussendlich durchwachsen. Denn Sozialpolitik wird oft als Kostenfaktor betrachtet, der Haushaltsdisziplin und wirtschaftliches Wachstum behindern könnte. 

Zugleich sind sozialpolitische Reformen komplex und in ihren Erfolgen häufig erst langfristig messbar – dies steht im Widerspruch zum politischen Druck, kurzfristige Erfolge vorzuweisen. Außerdem fehlt es häufig an einer starken Lobby für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Während wirtschaftliche Interessen, wie die Industrie oder der Finanzsektor, effektiv ihre Anliegen vertreten, bleiben die Stimmen von Geringverdienern, Rentnern oder Erwerbslosen oft marginalisiert. Dies führt dazu, dass soziale Anliegen zwar rhetorisch aufgegriffen, aber in der Umsetzung nicht konsequent verfolgt werden.

Die geringe Priorität der Sozialpolitik zeigt sich auch in der zögerlichen Reaktion auf dringende Probleme wie die Kinderarmut, die nach wie vor etwa 2,2 Millionen von Kindern in Deutschland betrifft, oder die anhaltende Wohnungsnot. Die politischen Akteure neigen dazu, auf Krisen wie die Corona-Pandemie oder die Inflation mit kurzfristigen Maßnahmen zu reagieren, anstatt langfristige Lösungen zu entwickeln, die soziale Sicherheit nachhaltig stärken.

Insgesamt zeigt sich, dass sowohl konservative als auch liberalere Parteien in der Sozialpolitik wichtige Aspekte vernachlässigen, sei es die soziale Absicherung benachteiligter Gruppen oder die Bekämpfung struktureller Ungleichheiten. Gleichzeitig verhindert die politische Kultur Deutschlands mit ihrem Fokus auf wirtschaftliche Prioritäten und kurzfristige Erfolge, dass Sozialpolitik die notwendige Relevanz erhält. Um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden und vor allem auch den sozialen Frieden zu sichern, braucht es eine Neuausrichtung, die soziale Gerechtigkeit als Grundlage für eine nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft anerkennt.

Autor: Maximilian Stark 23.01.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0(link is external)

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