Mehrere Polizisten in einer Reihe von hinten
Flickr | Eoghan OLionnain - CC BY-SA 2.0

➡️ Innere Sicherheit - Aktuelle Lage und Parteien

Die jüngste Silvesternacht war geprägt von fünf Todesfällen durch Explosionen, einer Amokfahrt in Süddeutschland und 400 Verhaftungen in Berlin. Die Parteien griffen dies schnell auf. Der AfD ging es vor allem um die Vornamen der Verhafteten und verknüpfte die Ereignisse mit einer "falschen Migrationspolitik". Die CDU forderte ein schärferes Waffenrecht und strengere Grenzkontrollen – auch um den Import von illegalen Sprengkörpern zu unterbinden. Öffentlich wurde über ein Böllerverbot debattiert. Die SPD und Grüne warben dafür; ebenso die 2 Millionen Unterzeichner einer Petition, die im Innenministerium eingereicht wurde. Obwohl die Vorfälle politisch und medial groß aufgegriffen wurden, sprachen vielerorts die Behörden auch von einem "friedlichen Silvester".

Solche Vorfälle stehen sinnbildlich für das Gefühl einer abnehmenden öffentlichen Sicherheit – aber auch dafür, wie sie von Medien und populistischen Parteien instrumentalisiert werden. CDU, FDP und AfD verknüpfen in ihren Wahlprogrammen verschärfte Asyl- und Migrationsgesetze mit einer verbesserten nationalen Sicherheit. Dabei lag 2023 der Anteil von Zugewanderten an den allgemeinen Tatverdächtigen in Deutschland bei 7,9 Prozent (ausländerrechtliche Verstöße wie etwa illegale Einreise oder Aufenthalt nicht mitgerechnet). 

Auch nach dem Terroranschlag in Magdeburg im Dezember 2024 wurde schnell versucht, die Tat mit einer verfehlten Asylpolitik und dem Ruf nach strengeren Maßnahmen zu verknüpfen. Tausende Rechtsextreme marschierten durch Magdeburg; mehrere Angriffe auf Migranten wurden registriert. Das Gedenken an die Opfer schien ihnen genauso wenig am Herzen zu liegen wie der AfD, die noch am Tatort die Tat in ihrem Sinne für den Wahlkampf nutze. Dabei war der Täter Islam-Kritiker und AfD-Unterstützer. Der Chef des thüringischen Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, verortet die Tat im rechtsextremen Spektrum und unterstreicht damit eine erschreckende Entwicklung in diesem Bereich. Denn im Jahr 2024 erreichte die Zahl rechtsextremer Delikte mit 33.963 Fällen einen neuen Höchststand. Immer wieder warnen NGOs und Behörden, dass vom Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland ausgeht. 

Die NSU-Mordserie oder die tödlichen Anschläge von Hanau oder München verdeutlichen dies. Doch öffentlich aufgegriffen wird diese Entwicklung kaum, auch umfassende Maßnahmen der Innenpolitik sind laut Martina Renner (Die LINKE) "nicht in Sicht." Die Zunahme der rechten Taten führt sie auch auf die in Teilen rechtsextremen AfD zurück: "Der Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der rechtsextremen AfD und der wachsenden rechten Gewalt ist erwiesen." Konkret befassen sich die SPD, die LINKE und die Grünen mit Rechtsextremismus in ihren Programmen. Die CDU und die FDP wollen vor allem allgemein extremistische Strömungen bekämpfen, während die AfD vor allem linksextremen und islamistischen Terror im Fokus hat. 

 

Eine Statistik zu den Umsätzen der IT-Sicherheit in Deutschland
statista 2024

Zunehmende Cyperangriffe und Gewalttaten

Auch die Bedrohung durch Cyberangriffe nimmt ebenfalls zu. Im ersten Halbjahr 2024 stieg die Zahl der hochvolumigen DDoS-Angriffe immens an. Ransomware-Angriffe richteten sich vermehrt gegen kleine und mittlere Unternehmen sowie Kommunen. Die wirtschaftlichen Schäden sind erheblich: In den letzten zwölf Monaten beliefen sich die geschätzten Gesamtschäden durch Computerkriminalität in deutschen Unternehmen auf 266,6 Milliarden Euro.

Laut dem Lagebericht des BSI 2024 nehmen auch Cyper-Angriffe aus Ländern wie Russland, China, Nordkorea und Iran deutlich zu. Staatlich gelenkte Hackergruppen zielen auf kritische Infrastrukturen, Unternehmen und Behörden Allein 2023 verursachten diese staatlichen Angriffe wirtschaftliche Schäden von über 50 Milliarden Euro, und die Anzahl dokumentierter Vorfälle stieg um 38 %. Die Bundesregierung reagiert mit dem Ausbau des Cyber-Abwehrzentrums und der engeren Zusammenarbeit mit NATO und EU, um die digitale Sicherheit zu stärken. Die Positionen der Parteien ähneln sich zu diesem Thema und stützen sich auf den Ausbau der Cybersicherheitsinfrastruktur, klarere Zuständigkeiten und eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft. 

Ein weiterer innenpolitischer Schwerpunkt stellt die steigende Gewaltrate dar. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2023 insgesamt 214.099 Fälle von Gewaltkriminalität erfasst, was einen Höchststand seit 2007 darstellt. Dies bedeutet einen Anstieg von 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders alarmierend ist, dass etwa 20 Prozent der Opfer Kinder und Jugendliche sind. Parteien wie die LINKE, SPD oder Grüne setzen eher auf soziale Maßnahmen und Präventionsangebote. Vor allem die CDU oder die AfD fordern dagegen härtere Strafen und Gesetze. Dabei hat die AfD selbst 48 Politiker in Parlamente entsandt, die wegen direkter körperlicher Gewalt, psychischer Gewalt, einer Form der Beihilfe zu Gewalt oder gewaltsamem Verhalten in der Vergangenheit aufgefallen oder verurteilt sind. 

 

Rechtsextremismus in den deutschen Sicherheitsbehörden
Statista 2023

Das fordern die Parteien konkret

Die CDU/CSU fokussiert sich auf die Begrenzung von Migration und die Stärkung von Grenzkontrollen. Sie fordert eine Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten, einschließlich Syrien und Afghanistan, um Abschiebungen zu erleichtern, sowie eine Aufstockung des Polizeipersonals und den Einsatz moderner Überwachung. Sie plant, die Sicherheitsbehörden personell und technisch zu stärken. Dazu gehört die Speicherung von Verkehrsdaten wie IP-Adressen und Standortdaten und ein Ausbau von Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Zusätzlich plant sie die Einführung eines "Chief Security Officer", um die Abwehr von Cyberangriffen zu koordinieren, sowie die Modernisierung des IT-Sicherheitsrechts. Präventionsprogramme sollen ausgebaut werden, um insbesondere junge Menschen vor extremistischer Radikalisierung zu schützen. Zudem soll der von der Ampel-Regierung eingeführte Bundespolizeibeauftragten wieder abschafft werden.

Die SPD hingegen betont die Bedeutung sozialer Stabilität für die innere Sicherheit. Sie schlägt einen kreditfinanzierten „Deutschlandfonds“ vor, um in soziale Infrastruktur wie Wohnraum, Schulen und Stromnetze zu investieren. Die SPD betont in ihrem Programm die Notwendigkeit eines entschlossenen Kampfes gegen Rechtsextremismus. Dabei setzt sie auf eine Kombination aus repressiven Maßnahmen und Prävention. Dazu gehören die Stärkung der Strafverfolgungsbehörden, die Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen und Bildungsprogrammen, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus richten. Zudem plant die SPD, die Forschung zu rechtsextremen Netzwerken zu intensivieren, um deren Strukturen besser zu verstehen und zu zerschlagen. Während die SPD-Innenministerin Faser sich für Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat, ist dieser Punkt im Wahlprogramm nicht vertreten. Allerdings fordert man eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden im Bereich der Cyberabwehr und die Förderung von IT-Sicherheitsforschung, um gegen digitale Bedrohungen gewappnet zu sein.

Auch die Grünen verbinden nationale Sicherheit mit sozialer und ökologischer Stabilität. Neben einem eigenen „Deutschlandfonds“ zur Förderung von Bildung und nachhaltiger Infrastruktur sehen sie den Klimawandel als größte Bedrohung und plädieren für massive Investitionen in erneuerbare Energien. Migration soll durch sichere Fluchtwege und europäische Lösungen humanitär geregelt werden. Die Grünen sehen im Kampf gegen Rechtsextremismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie fordern eine umfassende Strategie, die sowohl staatliche Maßnahmen als auch die Stärkung der Zivilgesellschaft umfasst. Dazu zählen die Erhöhung der Mittel für Opferberatungsstellen, Programme zur Demokratieförderung und eine konsequente Strafverfolgung rechtsextremer Straftaten. Zudem setzen sich die Grünen für eine unabhängige Beobachtungsstelle ein, die rechtsextreme Aktivitäten dokumentiert und analysiert. Die Partei fordern den Ausbau der Cybersicherheitsinfrastruktur und die Förderung von Open-Source-Software, um die digitale Souveränität zu stärken. Zudem setzen sie sich für strenge Datenschutzrichtlinien ein.

 

Eine Demo gegen mehr Überwachung im öffentlichen Raum
Flickr | mw238 - CC BY-SA 2.0

Die Linke sieht soziale Gerechtigkeit als Schlüssel zur Reduzierung von Gewaltkriminalität und fordert den Ausbau sozialer Dienstleistungen sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung. Ihre Strategie gegen Cyberangriffe umfasst eine zivil orientierte Netzpolitik, den Schutz der Privatsphäre und internationale Abkommen zur Ächtung von Cyberwaffen. Vorratsdatenspeicherung und Chat-Kontrollen werden abgelehnt. Ebenso wie eine polizeiliche Aufrüstung und betont den zivilgesellschaftlichen Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus als Kern der inneren Sicherheit. Die Linke fordert eine umfassende Aufklärung und Bekämpfung rechtsextremer Strukturen. Sie setzt sich für die Abschaffung des Verfassungsschutzes in seiner jetzigen Form ein und plädiert für die Einrichtung einer unabhängigen Beobachtungsstelle, die rechtsextreme Aktivitäten überwacht. Zudem fordert die Partei eine stärkere Unterstützung für zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, und eine intensivere Bildungsarbeit zur Förderung von Toleranz und Vielfalt.

Die FDP sieht sowohl innere als auch äußere Sicherheit als zentral an. Sie setzt auf eine klare Steuerung der Migration und moderne Cybersicherheitsstrategien. Die Freien Demokraten betonen die Bedeutung des Rechtsstaats im Kampf gegen Extremismus. Sie fordern eine bessere personelle und technische Ausstattung der Polizei und eine effektivere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, um grenzüberschreitende extremistische Netzwerke zu bekämpfen. Zudem spricht sich die FDP für eine verstärkte Nutzung digitaler Technologien aus, um extremistischer Propaganda im Internet entgegenzuwirken. Ein Nationaler Sicherheitsrat soll eine koordinierte Reaktion auf Cyberbedrohungen gewährleisten. Auf die Bekämpfung von Clan-Kriminalität wird explizit hingewiesen.

Die AfD verfolgt eine harte Linie mit einer Null-Toleranz-Politik, fordert härtere Strafen, nationale Grenzkontrollen und eine Rückkehr zu einer restriktiven Migrationspolitik. Für die AfD ist nationale Sicherheit eng mit dem Schutz der deutschen Kultur und Werte verbunden. Die AfD thematisiert Rechtsextremismus in ihrem Wahlprogramm nicht explizit. Stattdessen legt sie den Fokus auf die Bekämpfung von Linksextremismus und islamistischem Terrorismus. Die Partei fordert eine stärkere Überwachung und konsequentere Strafverfolgung in diesen Bereichen. Die AfD setzt auf eine Verschärfung des Strafrechts - eine Verschärfung des Waffenrechts schließt sie dagegen aus. Konsequenter Haftvollzug und verstärkte Polizeipräsenz soll zur Bekämpfung von Gewaltkriminalität beitragen. Im Bereich Cyberangriffe fordert sie nationale IT-Infrastrukturen, um die Abhängigkeit von ausländischer Technologie zu reduzieren und die digitale Souveränität zu sichern.

 

Grafik dazu, dass Inflation und Armut weltweit die meisten Sorgen bereiten

Was braucht es für mehr innere Sicherheit?

Die Mehrheit der Deutschen fühlt sich im öffentlichen Raum sicher, jedoch nimmt dieses Sicherheitsgefühl seit einigen Jahren ab. Laut einer ARD-Umfrage aus 2024 empfinden 56 Prozent der Befragten öffentliche Plätze als sicher, während es 2017 noch 75 Prozent waren. Frauen und jüngere Menschen fühlen sich tendenziell unsicherer als Männer und ältere Menschen. Obwohl die tatsächliche Kriminalität im Vergleich der letzten Jahre kaum zugenommen hat und in den 2000er Jahren deutlich höher lag, sorgen vor allem Medien-Berichte über Einbrüche, Diebstähle und Gewalt für ein gestiegenes subjektives Unsicherheitsgefühl. Auch populistische Parteien greifen dies gerne auf, um gesellschaftliche Spannungen zu schüren und politisch zu polarisieren.

Dass die Kriminalitätsrate seit 2023 wieder gestiegen ist, führt das Bundeskriminalamt teilweise auf einen Nachholeffekt der Covid-Pandemie zurück. Durch Ausgangssperren und Lockdowns wurden Straftaten vereitelt, die nun wieder möglich sind. Aber auch die hohe Inflation und die steigenden Lebenshaltungskosten spielen eine entscheidende Rolle. Immer mehr Menschen in Deutschland, sowohl Geflüchtete als auch Einheimische, leiden unter schwierigen Lebensbedingungen. Arbeitslosigkeit, fehlende soziale Teilhabe und Diskriminierung können dazu führen, dass sie illegale Wege suchen, um finanzielle oder soziale Bedürfnisse zu erfüllen. Diese strukturellen Probleme machen sie gleichzeitig zu Opfern des Systems, da sie aufgrund mangelnder Unterstützung in einen Teufelskreis aus Armut und Kriminalität geraten.

Zur Prävention sind umfassende Maßnahmen erforderlich, die sowohl die Lebensbedingungen verbessern als auch die soziale Integration fördern. Sozial benachteiligte Gruppen benötigen Investitionen in soziale Infrastruktur, etwa bessere Bildungschancen, bezahlbaren Wohnraum und Jobprogramme. Gleichzeitig helfen gezielte Präventionsmaßnahmen wie Jugendzentren, Mentoring-Programme und Gewaltpräventionskurse, das Abgleiten in die Kriminalität zu verhindern. Die KräftigeGüteStiftung fördert in dem Zusammenhang die Anwendung von Gütekraft als nachhaltigere und effektivere Alternative zu Gewalt in Polizei, Justiz und Politik. Denn nur durch eine Kombination aus sozialer Unterstützung und strukturellen Reformen lassen sich langfristig Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt stärken – nicht durch härtere Strafen und eine strengere Asylpolitik.

Autor: Maximilian Stark 13.01.25, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0(link is external)

Für mehr Infos lies unten weiter  ⬇️