Obdachlosigkeit / Obdachlose

Ein obdachloser Mann schläft auf der Straße
Flickr | Jason Karsh - CC BY-NC 2.0

➡️ Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland 

Miet- oder Energieschulden, psychische Erkrankungen, Konflikte im Wohnungsfeld oder persönliche Schicksalsschläge. Das sind nur einige der Gründe für den Wohnungsverlust. 2022 waren in Deutschland über 600.000 Menschen wohnungslos (statista 2022).

Bessere Welt Info widmet sich mit diesem umfassenden Info-Portal der Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland. Wir bieten Reportagen, Videos und Bildbeiträge zur Thematik und stellen wichtige Initiativen und Organisationen vor, die sich gegen Obdachlosigkeit engagieren. - Auf unserer Schwesterseite Better World Info findest du englische Beiträge zu Homelessness, Right to Housing oder Street Kids

Wohnungslosigkeit bezieht sich auf Menschen, die über keinen gültigen Mietvertrag verfügen und lediglich Nutzungsverträge besitzen, in Notunterkünften untergebracht sind oder obdachlos sind. Die Zahl der Menschen, die tatsächlich auf der Straße leben, wird auf 50.000 geschätzt - Tendenz steigend, ebenso wie die Zahl der Wohnungslosen, die sich innerhalb eines Jahres um 60 Prozent gesteigert hat (taz 2023). 

Dieser Umstand wird aktuell mit der steigenden Zahl Geflüchteter im Land verknüpft, die vor allem aus der Ukraine, aber auch aus anderen Krisengebieten wie Afghanistan, Syrien oder Iran kommen. So ist die Zahl der nicht-deutschen Wohnungslosen 2022 innerhalb von einem Jahr um 118 Prozent gestiegen. 411.000 von 600.000 Wohnungslosen hatten keinen deutschen Pass. Neben Geflüchteten und Migranten sind vor allem alleinstehende Männer mit deutschem Pass, sowie Alleinerziehende oder sehr kinderreiche Familien von Wohnungslosigkeit bedroht. 

Zur selben Zeit gibt es allerdings auch hohen Leerstand in Deutschland. 2022 standen über 550.000 Wohnungen leer (statista 2023). Oft wird mit ihnen spekuliert und der wichtige Wohnraum dem Wohnungsmarkt entzogen, um Profite zu generieren. In Großstädten werden Wohnungen oft als Airbnb-Apartments vermietet, denn auch das bringt oftmals mehr Gewinne als eine monatliche Miete. Es zeigt sich, dass ungenutzter Wohnraum existiert, der Obdachlosen zur Verfügung stehen könnte, würde man sich politisch dafür einsetzen und Menschen über Profite stellen. 

Immer wieder kommt es auch zu Gewalt gegen Obdachlose. Seit 1989 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe 626 Fälle dokumentiert, bei denen Obdachlose gewaltsam zu Tode gekommen sind (BAGW 2023). Hinzu kommen mindestens 2.300 Fälle von schwerer Körperverletzung. Allerdings dürften die Zahlen deutlich höher liegen und man geht von einer hohen Dunkelziffer aus. 

 

Ein Zelt, das auf einem Bürgersteig steht
Flickr | mac42 - CC BY-NC 2.0

Ursachen für Obdachlosigkeit

Fehlender bezahlbarer Wohnraum wird aktuell als Hauptgrund für die Wohnungsnot in Deutschland genannt. In vielen deutschen Städten ist die Nachfrage nach Wohnraum aktuell sehr hoch, was zu steigenden Mieten führt. Gleichzeitig gibt es einen Mangel an Sozialwohnungen für Menschen mit geringem Einkommen. 2023 fehlten zwischen 700.000 und mehreren Millionen Sozialwohnungen in Deutschland (HBS 2023). Dies führt dazu, dass vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen Schwierigkeiten haben, eine angemessene Unterkunft zu finden. Die aktuelle Inflation verschlimmert die Situation zusätzlich. 

Der Verlust des Arbeitsplatzes oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wie befristete Verträge oder Teilzeitjobs mit unzureichendem Einkommen, führen darüber hinaus dazu, dass Menschen ihre finanzielle Stabilität verlieren und ihre Miete nicht mehr zahlen können. Im Jahr 2022 arbeiteten etwa 20 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor, was oft mit prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen verknüpft ist (destatis 2022). Zudem waren 14 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland von Armut trotz Erwerbstätigkeit bedroht. 

Finanzielle Engpässe führen nicht selten zu hohe Schulden, sei es durch unbezahlte Rechnungen oder Kredite. 2022 konnten 5,5 Millionen Menschen ihre Wohnung aus Geldmangel nicht angemessen heizen (destatis 2022). Allgemein haben knapp 5,6 Millionen Menschen in Deutschland massive Schulden, was schlussendlich zu Zwangsräumungen führen und Menschen in die Obdachlosigkeit treiben kann (statista 2023). 

Der Zugang zu angemessenen Sozialleistungen oder Unterstützungsprogrammen wird durch bürokratische Hürden zusätzlich erschwert. Menschen, die dringend Hilfe benötigen, könnten aufgrund komplexer Antragsverfahren oder unzureichender Information Schwierigkeiten haben, dringend benötigte Unterstützung zu erhalten. Millionen Menschen in Deutschland erhalten so keine Sozialleistungen – aus Überforderung, Unkenntnis oder Angst vor dem bürokratischen Aufwand (FR 2023). 

Auch Konflikte innerhalb der Familie, Trennungen oder das Fehlen eines unterstützenden sozialen Umfelds können Menschen dazu zwingen, ihre Wohnungen zu verlassen. Menschen, die unter gesellschaftlicher Ausgrenzung oder Stigmatisierung leiden, sind besonders von Obdachlosigkeit betroffen. Suchterkrankungen, eine psychische Erkrankung oder körperliche Beeinträchtigungen führen zu sozialer Isolation und erschweren den Zugang zu unterstützenden sozialen Netzwerken. Auch Migranten und Geflüchtete sind aufgrund von Sprachbarrieren, rechtlichen Unsicherheiten und prekären Anstellungsverhältnissen einem erhöhten Risiko der Obdachlosigkeit ausgesetzt.

Obdachlose Menschen sind mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert, was es erschwert, Unterstützung zu finden und sich in die Gesellschaft zu reintegrieren. Die soziale Stigmatisierung kann auch psychologische Barrieren für Menschen schaffen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Situation auf der Straße in Deutschland ist aktuell sehr prekär: Notunterkünfte sind überfüllt, es mangelt an umfassenden Hilfsangeboten und einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die sich detailliert mit Problematik befasst (MDR 2023). Die Ausgangslage verhindert, dass viele Menschen, die aktuell auf der Straße leben, die Unterstützung und Angebote bekommen, die sie bräuchten. 

 

Eine Grafik zur Wohnungslosigkeit in Deutschland 2022
statista 2022

Maßnahmen gegen Obdachlosigkeit

Kommunen stellen Notunterkünfte zur Verfügung, in denen obdachlose Menschen vorübergehend unterkommen können. In vielen Städten gibt es auch spezielle Angebote für Übernachtungsplätze in den Wintermonaten. Allerdings sind diese Angebote oft unzureichend, wie das Beispiel Berlin zeigt (Spiegel 2023). 2022 konnten so bundesweit 178.000 Menschen untergebracht werden. 

Es gibt zudem zahlreiche Beratungsstellen, die obdachlosen Menschen Hilfe bei der Bewältigung ihrer Situation bieten. Hierzu gehören sozialrechtliche Beratung, psychosoziale und medizinische Betreuung und Unterstützung bei der Wohnungssuche.

Es werden Programme zur Unterstützung bei der Wohnungssuche angeboten, und es wird versucht, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. Der soziale Wohnungsbau soll sicherstellen, dass auch Menschen mit geringem Einkommen Zugang zu angemessenem Wohnraum haben. Dafür müssen allerdings auch deutlich mehr Sozialwohnungen in Deutschland gebaut werden. In einigen Städten wird das Konzept Housing First ausprobiert. Die schnelle Beschaffung einer Wohnung für Obdachlose steht dabei im Vordergrund, um danach andere persönliche Probleme zu bearbeiten. Jahrelang wurde der Ansatz verfolgt, dass Wohnungslose erst wieder ihre "Wohnfähigkeit" beweisen mussten, bevor sie eine Wohnung beziehen konnten. Bislang ist das Konzept ein großer Erfolg – nur wenige landen wieder auf der Straße.

Darüber hinaus sollen Programme zur Integration obdachloser Menschen in den Arbeitsmarkt ihre langfristige Unabhängigkeit fördern. Dies kann durch berufliche Qualifizierung, Jobvermittlung und Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche erfolgen. Schuldenberatung sollen obdachlosen Menschen helfen, ihre finanzielle Situation zu stabilisieren und Zwangsräumungen aufgrund von Mietschulden zu vermeiden.

Daneben gibt spezielle Maßnahmen zur Unterstützung von obdachlosen Jugendlichen, um ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme zu helfen und ihre Integration in die Gesellschaft zu fördern. Für Jugendliche und obdachlosen Menschen ist eine umfassende Suchtprävention und Gesundheitsversorgung sehr wichtig.

Obdachlose Menschen haben zudem Anspruch auf verschiedene Sozialleistungen. Programme zur finanziellen Unterstützung sollen sicherstellen, dass sie Zugang zu den benötigten Mitteln haben, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.

Ein Schwerpunkt liegt auch auf präventiven Maßnahmen, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Dazu gehören frühzeitige Interventionen bei drohenden Wohnungskündigungen, Unterstützung bei der Bewältigung von Krisen und die Förderung von stabilen Lebensverhältnissen. Um das umzusetzen, bedarf es allerdings wirkungsvoller Sozialreformen und den dazugehörigen politischen Willen. 

 

Eine Demo für mehr bezahlbaren Wohnraum mit vielen Bannern
Flickr | Rasande Tyskar - CC BY-NC 2.0

Obdachlosigkeit wirkungsvoll bekämpfen

Das größte Problem im Kampf gegen Obdachlosigkeit ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Ampel-Regierung hat angekündigt, pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen bauen zu wollen, obwohl auch diese Zahl als zu gering angesehen wird. 2022 wurden dann gerade einmal 25.000 dieser Wohnungen umgesetzt (Dlf 2023). Ein Ansatz wäre, die im Zuge des Homeoffice-Trends zunehmend verlassenen Büros umzuwidmen. Dadurch könnten binnen eines Jahres über 200.000 neue Wohnungen entstehen (Handelsblatt 2023). 

Dazu werden jedes Jahr Tausende Wohnungen geräumt. Allein 2021 waren es mehr als 29.000 in Deutschland. (MDR 2023). Es liegt in der Verantwortung des Staates in solchen Fällen eher aktiv zu werden und die Menschen in ihrer Notlage zu unterstützen, damit es nicht zu einer Zwangsräumung kommt. Denn oft sind die Menschen mit hohen Schulden belastet oder leiden an psychischen Erkrankungen, die verhindert, dass sie ihren Alltag angemessen bestreiten können. 

Eine Möglichkeit wäre es, dass Kommunen in diesem Fall die Mietrückstände übernehmen und so Räumungsklagen abwenden. Zudem wäre es wichtig, umfassende und aufsuchende Unterstützungsangebote zu etablieren, denn Menschen in schwierigen Lebenssituationen sind oft nicht fähig, selbstständig Hilfe zu suchen. 

Wichtig wäre es allerdings auch, dass Angebote auf nicht-deutsche Obdachlose ausgeweitet werden. Denn sie haben, trotz des hohen Anteils innerhalb der Obdachlosengruppe in Deutschland, kein Anrecht auf viele Leistungen oder werden aufgrund von Sprachbarrieren ausgeschlossen. 

Um Menschen auf der Straße besser zu unterstützen, braucht es zudem eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Hilfsprogramme. Um persönliche Problemlagen zu behandeln, bedarf es oft einer Zusammenarbeit aus Suchtprävention, Jugendhilfe, Schuldenberatung, psychologischer Betreuung oder Notunterkünften. 

Auf städtischer Ebene braucht es mehr Notschlafunterkünfte – vor allem im Winter. Seit 2010 sind knapp 50 Menschen auf der Straße erfroren (statista 2022). Die vorhandenen Unterkünfte sind oft in schlechtem Zustand. Meist ist die Struktur so ausgelegt, dass die Menschen die Unterkunft früh am Morgen wieder verlassen müssen, oft mangelt es an Hygiene und Privatsphäre und es kommt zu gewalttätigen Übergriffen, weil viele Menschen auf engem Raum gezwungen sind. 

Auch der öffentliche Raum könnte besser für obdachlose Menschen gestaltet werden. Es bedarf mehr öffentlicher Toilette und Duschen, damit sie ihre grundlegenden Bedürfnisse würdevoll verrichten können. Auch eine Zunahme an öffentlichen Trinkbrunnen wäre wichtig, vor allem bei starker Hitze sind sie überlebenswichtig. Zudem werden Obdachlose im öffentlichen Raum oft kriminalisiert und stigmatisiert. Sie werden aus Parks vertrieben, Gebäude oder Sitzbänke werden so designt, dass sie nicht als Schlafplatz genutzt werden können und Supermärkte vergittern ihre Mülltonnen oder überschütten Lebensmittelreste mit Abwasser. 

Die Bundesregierung hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2030 soll es in Deutschland keine Obdachlosigkeit mehr geben. Aktuell sind wir mit Blick auf die mangelnden Sozialwohnungen und die zaghafte Umsetzung von Housing First noch weit davon entfernt. Auch gesellschaftlich muss ein Umdenken stattfinden. Immer noch wird Obdachlosigkeit als individuelles Problem betrachtet, dabei ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem. Lösungsansätze können nur nachhaltig und wirkungsvoll sein, wenn sie die wachsende soziale Ungleichheit mitdenken und bekämpfen. 

Dafür braucht es allerdings grundlegende soziale Reformen. Bessere Welt Info setzt sich für eine faire und gerechte Gesellschaft ein, die Menschen über Profite stellt und nach sozialer Gerechtigkeit strebt. Wir fördern politische Bildung, Demokratie und sozialen Wandel – hin zu einer Gesellschaft, in der keine Menschen mehr auf der Straße leben müssen. Umfassend beschäftigen wir uns deshalb auch mit dem Sozialabbau, Steuergerechtigkeit, Wohnen und schauen kritisch auf anstehende Wahlen, die deutschen Behörden oder den zunehmenden Rechtsruck. Unterstütze uns und lass uns gemeinsam für eine Bessere Welt einstehen!

Autor: Maximilian Stark 04.01.24, lizensiert unter CC BY-NC-ND 4.0

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