Hyperschallwaffen

Ein Dark Eagle Raketensystem im Einsatz
Wiki | 美国陆军下士钱德勒·科茨 - gemeinfrei

➡️ Hyperschallwaffen - Neues Wettrüsten mit Überschall-Raketen

Hyperschallwaffen gelten als Gamechanger in militärischen Auseinandersetzungen, da sie in der Lage sind, innerhalb von Minuten weit entfernte Ziele zu treffen, einschließlich stark gesicherter und geschützter Anlagen. Länder wie die USA, Russland und China arbeiten intensiv an der Entwicklung und Verfeinerung solcher Technologien. Doch diese Waffen werden als höchst problematisch angesehen, da sie einen Erstschlag erheblich erleichtern und die Verteidigungsmöglichkeiten verringern.

Bessere Welt Info schaut kritisch auf diese Neuerungen in der Raketenentwicklung. Wir beschäftigen uns mit ihren speziellen Fähigkeiten und Eigenschaften, schauen, wer diese Raketen bereits militärisch nutzt und befassen uns mit den Gefahren, die diese neuen Waffen mit sich bringen. Abschließend bewerten wir noch die geplante Stationierung von Hyperschallwaffen in Deutschland.

Was sind Hyperschallwaffen?

Hyperschallwaffen sind Waffensysteme, die sich mit Geschwindigkeiten von mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit (Mach 5) bewegen können. Das entspricht 100 km in der Minute. Diese hohe Geschwindigkeit verkürzt die Reaktionszeit eines angegriffenen Ziels drastisch. Während herkömmliche Raketen relativ viel Zeit bieten, um einen Abwehrmechanismus zu aktivieren, lässt die Geschwindigkeit von Hyperschallwaffen dem Gegner oft nur wenige Minuten oder sogar Sekunden, um auf den Angriff zu reagieren.

Im Gegensatz zu herkömmlichen ballistischen Raketen, die in einer vorhersehbaren parabelförmigen Flugbahn fliegen, können Hyperschallwaffen ihre Flugbahn während des Flugs ändern. Diese Manövrierfähigkeit erschwert es bestehenden Raketenabwehrsystemen, die Flugroute korrekt vorherzusagen und die Waffe abzufangen. Hyperschallwaffen können sowohl konventionelle als auch nukleare Sprengköpfe tragen.

Aktuelle Raketenabwehrsysteme sind vor allem auf die Abwehr von ballistischen Raketen ausgelegt, die in bekannten Flugbahnen fliegen. Hyperschallwaffen operieren jedoch in einem Höhenbereich, der schwer zu verteidigen ist – zu hoch für Flugabwehrsysteme, aber zu niedrig für Weltraumverteidigungssysteme. Diese Lücke in der Abwehrtechnologie macht es schwierig, Hyperschallwaffen effektiv abzufangen. 

Aufgrund dieser Eigenschaften sind diese Raketen schwerer zu stoppen und zu verteidigen. Sie werden vor allem in zwei Typen angewendet: 

  • Hyperschall-Gleitflugkörper (Hypersonic Glide Vehicles, HGVs): Diese Waffen werden zunächst von einer Rakete in die obere Atmosphäre gebracht und gleiten dann mit extrem hohen Geschwindigkeiten, oft in unvorhersehbaren Bahnen, auf ihr Ziel zu. Ihre hohe Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit machen sie schwer abzufangen.
  • Hyperschall-Marschflugkörper: Diese nutzen herkömmliche Flugzeugtriebwerke oder Scramjet-Technologie, um durch die Atmosphäre zu fliegen, aber mit Geschwindigkeiten weit über Mach 5. Sie fliegen in geringerer Höhe als ballistische Raketen und können ebenfalls ihre Flugbahn ändern, um gegnerische Verteidigungssysteme zu umgehen.

     

Eine Animation einer Hyperschallrakete in der Luft
Wiki | ShukriH - CC BY-SA 4.0

Welche Länder verfügen über Hyperschallwaffen?

Russland

Russland ist einer der Vorreiter in der Entwicklung von Hyperschallwaffen und hat bereits einige einsatzbereite Systeme entwickelt. Zu den wichtigsten russischen Hyperschallwaffen gehören:

Kinschal (Kh-47M2): Diese Hyperschallrakete ist eine luftgestützte Waffe, die von Kampfflugzeugen wie der MiG-31 abgeschossen wird. Sie kann Geschwindigkeiten von Mach 10 erreichen und hat eine Reichweite von bis zu 2.000 Kilometern. Der Kinschal-Rakete wird sowohl eine konventionelle als auch eine nukleare Rolle zugeschrieben.

Awangard: Ein Hyperschall-Gleitflugkörper, der auf Interkontinentalraketen montiert wird. Der Awangard kann Geschwindigkeiten von bis zu Mach 20 erreichen und wird von Russland als strategische Antwort auf die Raketenabwehrsysteme der USA angesehen.

Zirkon (3M22 Zircon): Diese Hyperschall-Marschflugkörper ist vor allem für den Einsatz gegen Schiffe gedacht. Die Zirkon-Rakete kann Mach 9 erreichen und soll in naher Zukunft auf russischen Kriegsschiffen und U-Booten stationiert werden.

Im Mai 2023, während des Russland-Ukraine-Kriegs, setzte Russland die Kinschal-Hyperschallrakete ein, um ein Munitionslager in der Westukraine und ein Treibstofflager im Süden zu zerstören. Dies war das erste bekannte Mal, dass eine Hyperschallwaffe in einem echten Konflikt eingesetzt wurde.

China

China investiert intensiv in die Entwicklung von Hyperschalltechnologien und hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. 

DF-ZF: China entwickelt den DF-ZF, einen Hyperschall-Gleitflugkörper, der Geschwindigkeiten von Mach 5 bis Mach 10 erreichen kann. Er wird von einer ballistischen Rakete in die obere Atmosphäre gebracht und kann dann auf unvorhersehbare Weise auf sein Ziel zusteuern. Der DF-ZF wurde für den Einsatz mit der DF-17-Rakete entwickelt.

China führte im Juli 2021 einen Test eines Hyperschallgleiters durch, der nach Berichten die Welt umkreiste, bevor er sein Ziel ansteuerte. Diese Fähigkeit, ein Ziel aus dem Orbit anzugreifen, überraschte viele Analysten und zeigte Chinas Fortschritte in dieser Technologie. Bisher gibt es keine Berichte, dass China Hyperschallwaffen in einem militärischen Konflikt eingesetzt hat, doch das Land arbeitet intensiv an der Verbesserung dieser Technologien.

 

Ein US-Soldat überprüft ein Hyperschall-Waffensystem
Wiki | Capt. Ryan DeBooy - gemeinfrei

USA

Die USA sind ebenfalls ein wichtiger Akteur in der Entwicklung von Hyperschallwaffen. Die USA konzentrieren sich sowohl auf offensive Hyperschallwaffen als auch auf Verteidigungssysteme gegen solche Bedrohungen.

AGM-183A ARRW (Air-Launched Rapid Response Weapon): Diese von der US-Luftwaffe entwickelte Hyperschallrakete wird von einem Flugzeug gestartet und soll Geschwindigkeiten von über Mach 5 erreichen. Die USA haben einige erfolgreiche Tests durchgeführt, arbeiten jedoch weiterhin an der Entwicklung einer einsatzfähigen Version.

Common Hypersonic Glide Body (C-HGB): Diese Waffe wird von der US-Armee und der Marine entwickelt. Sie besteht aus einem Gleitflugkörper, der von einer ballistischen Rakete getragen wird und soll eine Geschwindigkeit von bis zu Mach 17 erreichen. Die C-HGB soll auf Land und See eingesetzt werden können. Diese Raketen des Typs Dark Eagle sollen ab 2026 auch in Deutschland stationiert werden.

Andere Länder

Andere Länder, darunter Frankreich, Indien, Japan und Iran, haben ebenfalls Programme zur Entwicklung von Hyperschallwaffen oder arbeiten in Partnerschaften daran. Diese Länder befinden sich jedoch noch in frühen Phasen der Entwicklung und haben bisher keine einsatzfähigen Systeme.

Auch Deutschland testete bereits 2012 mit dem SHEFEX II ein Hyperschallflugkörper. Allerdings zog Deutschland später die Finanzierung an dem Projekt zurück. Seit 2019 arbeitet die Firma MBDA Deutschland an der Entwicklung von Hyperschallwaffen für die Bundeswehr. Zuletzt wurde 2024 bekannt, dass Deutschland mit Norwegen an Hyperschallwaffen für die Marine arbeiten will. Es wurde ein Entwicklungsbudget von 652 Millionen Euro bereitgestellt. Die "durchsetzungs- und duellfähigen supersonischen Seeziellenkflugkörper mit großer Reichweite" sollen ab 2035 auf deutschen Fregatten installiert werden. 

 

Eine zerstörte Hyperschallrakete in der Ukraine
Wiki | Kyivcity.gov.ua - CC BY 4.0

Die Gefahren von Hyperschallwaffen

Die Hyperschallwaffen befeuern den ohnehin schon laufenden Rüstungswettlauf. Länder wie die USA, China und Russland arbeiten intensiv an dieser Technologie - das erhöht den Druck auf andere Nationen, ebenfalls in diese Waffen zu investieren, um nicht strategisch benachteiligt zu sein. Dies führt zu einer unkontrollierten Aufrüstung, ähnlich wie während des Kalten Krieges mit der nuklearen Abschreckung.

Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes solcher Waffen führt außerdem zu einer strategischen Instabilität, da ihre extreme Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit die Reaktionszeiten von Verteidigungssystemen drastisch verkürzt. Das Risiko von Missverständnissen und ungewollten Eskalationen ist massiv erhöht. 

Denn herkömmliche Abschreckungsstrategien basieren auf der Prämisse, dass Nationen genug Zeit haben, auf einen Angriff zu reagieren – etwa durch Frühwarnsysteme und Raketenabwehr. Hyperschallwaffen verkürzen diese Zeit so stark, dass ein Ziel möglicherweise nicht rechtzeitig reagieren kann. Länder könnten sich dadurch gezwungen fühlen, schneller auf wahrgenommene Bedrohungen zu reagieren. 

Insbesondere in Bezug auf nukleare Abschreckung ist dies problematisch. Wenn eine Nation glaubt, dass sie durch einen Hyperschallangriff in der ersten Welle ausgeschaltet werden kann, steigt das Risiko eines Präventivschlags. Obwohl Hyperschallwaffen extrem schnell sind, ist ihre Präzision oft geringer als bei anderen hoch entwickelten Lenkwaffen. Dies erhöht auch die Gefahr von Kollateralschäden und zivilen Opfern

Es gibt derzeit keine internationalen Abkommen, die den Einsatz von Hyperschallwaffen regulieren. Während es für Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen umfassende Verträge gibt (wie den Atomwaffensperr-Vertrag oder den INF-Vertrag), fehlen für Hyperschallwaffen ähnliche Kontrollmechanismen. Ohne Regelungen sinkt die Schwelle für ihren Einsatz. Wenn diese Waffen in militärische Konflikte eingeführt werden, ohne dass es eine klare rechtliche oder diplomatische Grundlage gibt, ist der internationale Frieden in höchster Gefahr.

Hyperschallwaffen sind zudem extrem teuer in der Entwicklung und Herstellung. Der Stückpreis für die Dark Eagle wird beispielsweise auf etwa 40 Millionen US-Dollar pro Rakete geschätzt. Länder investieren Milliarden in diese Technologien, während notwendiges Geld für Gesundheit, Bildung oder den sozialen Sektor eingespart oder gekürzt wird. Dabei sind wirkungsvolle Mittel für internationalen Frieden nach wie vor diplomatische Konfliktlösung, wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie den Aufbau multilateraler Institutionen wie die UNO oder die OSZE, um kollektive Sicherheit und Recht durchzusetzen. Auch interkultureller Dialog und die Bekämpfung von Ungleichheit tragen entscheidend zur Vorbeugung von Gewalt und langfristigem Frieden bei. In diese Bemühungen sollten Milliarden fließen – nicht in weitere militärische Infrastruktur! 

 

Eine Demo der LINKEN gegen Bomben in Deutschland
Flickr | Fraktion Die LINKE - CC BY 2.0

US-Hyperschallwaffen in Deutschland

Deutschland hat beschlossen, dass 2026 neue US-Raketen auf dem Staatsgebiet stationiert werden sollen – darunter auch Hyperschallraketen. Das wird von Russland als unmittelbare Bedrohung wahrgenommen. Man hat bereits wiederholt auf die Stationierung von NATO-Waffen in Europa mit scharfen Reaktionen und Drohungen reagiert. Das Risiko eines neuen Rüstungswettlaufs oder sogar eines militärischen Konflikts in Europa wächst. 

Wenn Deutschland US-Hyperschallwaffen stationiert, wird es potenziell zum vorrangigen Ziel in einem Konfliktfall. Hyperschallwaffen sind aufgrund ihrer extrem kurzen Vorwarnzeit besonders geeignet für  Erstschläge, und Deutschland würde dadurch einer erhöhten Bedrohung durch russische Vergeltungsschläge ausgesetzt werden. Dies könnte auch nukleare Dimensionen annehmen, da Russland seine Doktrin in Bezug auf die Bedrohung durch fortschrittliche Waffensysteme verschärft hat.

Auch die militärische Abhängigkeit Deutschlands wird dadurch weiter zementiert – man ist dann noch stärker auf den Schutz und die Militärstrategie der USA angewiesen. In einer Zeit, in der Europa und Deutschland vermehrt über strategische Autonomie und eine eigenständige Verteidigungspolitik diskutiert, würde die Stationierung US-amerikanischer Waffen auf deutschem Boden diese Bestrebungen untergraben und den eigenen Handlungsspielraum in der internationalen Politik einschränken. Zumal die Waffen von US-Streitkräften überwacht und vom US-Präsidenten befehligt werden - man also über keine Entscheidungsgewalt verfügt.

Auch innerhalb Deutschlands wird die Stationierung von US-Hyperschallwaffen umstritten diskutiert. Die deutsche Bevölkerung hat in der Vergangenheit gegen die Stationierung von Massenvernichtungswaffen oder potenziell eskalierenden Waffensystemen millionenfach demonstriert. Seit den 60er Jahren gibt es Proteste wie den Ostermarsch gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Auch die US-Atombomben in Büchel sind immer wieder Thema und Ausgangort von Protesten. 

Jahrelang hat man es versäumt eine eigenständige Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu etablieren. Statt auf Methoden der Diplomatie und Verhandlung zu setzen - wählt man nun die Abschreckung als geeignetes Mittel. Doch verhärtete Fronten bergen auch das Risiko einer militärischen Eskalation, die den internationalen Frieden einen Todesstoß verpassen könnte. 

Autor: Maximilian Stark 19.09.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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