Österreich - Medien

Die ➡️ Medienlandschaft in Österreich - eine kritische Sicht
Das Mediensystem in Österreich steht seit Jahren in der Kritik: Strukturelle Schwächen gefährden demokratische Prinzipien wie Medienpluralismus, Pressefreiheit und Unabhängigkeit. In keinem anderen westeuropäischen Land ist die Medienlandschaft so stark in den Händen weniger Akteure konzentriert. Im Print- und Onlinebereich dominieren die Boulevard-Medien Kronen Zeitung, Heute und OE24 mit einem Marktanteil von über 50 % zusammengenommen. Erst danach folgen die Tagesmedien, der Standard und der Kurier.
Besonders die Kronen Zeitung spielt seit Jahrzehnten eine prägende Rolle im öffentlichen Diskurs; laut Media-Analyse 2023 erreicht sie rund 27 % Tagesreichweite. Gemeinsam mit dem Kurier und Profil bildet sie das Rückgrat der Mediaprint, die den Printmarkt dominiert. Im Fernsehen teilen sich der öffentlich-rechtliche ORF, mit einem Marktanteil von 34 %, und der private Sender Servus TV die Spitze. Im Radiobereich erreicht der ORF sogar über 68 % Marktanteil.
Im Onlinebereich zeigt die Österreichische Webanalyse (ÖWA), dass die drei größten Portale – krone.at, heute.at und oe24.at – gemeinsam über 11 Millionen Unique Clients pro Monat erreichen. Ihre Inhalte ähneln sich stark und sind geprägt von Boulevardjournalismus, was den Meinungspluralismus erheblich einschränkt. Zudem wird auf emotionsgeladene Artikel gesetzt, die komplexe Zusammenhänge vereinfachen und zur gesellschaftlichen Polarisierung beitragen.
Vertikale Integration verstärkt die strukturelle Macht dieser Medienhäuser. Die Mediaprint etwa kontrolliert nicht nur Inhalte, sondern auch Druckereien und Logistik, was neuen Anbietern den Marktzugang erschwert. Hier findet sich eine ausführliche Grafik der österreichischen Medienlandschaft und der dort herrschenden Konzentration vom Dossier.

Inseratenkorruption und politischer Einfluss
Ein weiteres zentrales Problem ist die politische Einflussnahme durch Inserate. Öffentliche Stellen gaben 2022 über 200 Millionen Euro für Werbung aus – ein Großteil davon an die führenden Boulevardmedien. Es fehlen klare Regeln für die Mittelvergabe, was dazu führt, dass regierungsfreundliche Medien bevorzugt werden. Kritische oder kleinere Häuser erhalten hingegen nur einen Bruchteil dieser Mittel. Die Presseförderung fällt mit rund 9 Millionen Euro jährlich dagegen mager aus und begünstigt ebenfalls große Boulevardtitel.
Ein besonders aufsehenerregender Fall war die Inseratenaffäre unter Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Das Finanzministerium steigerte seine Werbeausgaben von rund 135.000 Euro (2015) auf 8,9 Millionen Euro (2020). Ermittlungen ergaben, dass Inserate teils im Gegenzug für positive Berichterstattung geschaltet wurden – getarnt als redaktionelle Kooperation. Der Rücktritt von Kurz 2021 war eine direkte Folge dieses Skandals. Verdeckte Einflussnahmen werden auch durch geleakte Chats sichtbar. So soll „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand auf drohende Budgetkürzungen durch die damalige ÖVP-Regierung mit den Worten „Ich kann auch anders“ reagiert haben – ein möglicher Hinweis auf politischen Druck.
Auch der ORF, für viele nach wie vor zentrale Informationsquelle, steht in der Kritik. Seine Gremien sind zu 90 % mit politischen Vertretern besetzt - seine Unabhängigkeit wird dadurch massiv infrage gestellt. Im Dezember 2022 geriet der ORF-Landesdirektor Niederösterreich unter Druck, weil er Interviews im Sinne der ÖVP beeinflussen wollte. Ein Jahr später trat er zurück – zu spät, um die Vertrauenskrise zu verhindern. Diese Struktur wurde 2023 vom Verfassungsgerichtshof beanstandet. Er erklärte Teile der ORF-Gesetzgebung für verfassungswidrig, weil die politische Dominanz in den ORF-Gremien die gebotene Unabhängigkeit und Pluralität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefährdet. Seit 2024 ersetzt eine Haushaltsabgabe die bisherige GIS-Gebühr, doch grundlegende Probleme bleiben bestehen.

Vertrauensverlust und Social-Media-Dominanz
Inseratenskandale, politische Einflussnahme und starke Boulevard-Medien - das Vertrauen in den österreichischen Journalismus sinkt seit Jahren. Nur 35 % der Österreicher glauben laut dem Reuters Institute Digital News Report 2024, dass Medien unabhängig berichten. Einer Gallup-Studie zufolge halten nur 23 % der Bevölkerung private Medien für frei von politischem Einfluss, 26 % sehen sie als wirtschaftlich unabhängig. Fast ein Fünftel glaubt, positive Berichterstattung sei käuflich. Besonders bedenklich: Ein Drittel der Bevölkerung hat Schwierigkeiten, echte von falschen Informationen zu unterscheiden. Neben Desinformation auf sozialen Netzwerken trägt auch die oberflächliche Berichterstattung der führenden Medien dazu bei.
Die wirtschaftliche Lage der Branche verschärft das Problem. Die Reichweite klassischer Tageszeitungen sank von 74 % (2010) auf 53 % (2023). Gleichzeitig wandern Werbeeinnahmen zu globalen Tech-Giganten wie Google oder Meta ab. Redaktionen reagieren mit Personalabbau, niedrigen Löhnen und verschärften Arbeitsbedingungen – über 80 % der Journalisten empfinden ihre berufliche Situation als verschlechtert.
Im Pressefreiheitsranking von „Reporter ohne Grenzen“ rutschte Österreich von Platz 7 (2015) auf Rang 22 (2025) ab – eine Folge politischer Einflussnahme, Intransparenz und Angriffe auf Journalisten.
Soziale Netzwerke spielen vor allem für junge Menschen eine zentrale Rolle als Nachrichtenquelle. Laut „Digital 2025“ gibt es 7,3 Millionen aktive Social-Media-Identitäten in Österreich – etwa 80 % der Bevölkerung. Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube, TikTok und Snapchat sind allgegenwärtig. Die dort getätigten Werbeeinnahmen kommen nicht der Medienlandschaft in Österreich zu gute, sondern fließen in die USA. Diese machen weit über 50 % der österreichischen Werbeeinnahmen aus. Unter den 18- bis 24-Jährigen nennen 36 % soziale Medien als Hauptnachrichtenquelle – der Gesamtbevölkerung zufolge sind es nur 11 %. Gleichzeitig vertrauen nur 17 % den dort präsentierten Informationen.
Diese Diskrepanz zwischen intensiver Nutzung und geringem Vertrauen befeuert zentrale Herausforderungen: Desinformation, fehlende Medienkompetenz, psychische Belastungen durch Social-Media-Vergleiche und eine Fragmentierung des öffentlich-rechtlichen Diskurses. Die klassische Medienlandschaft verliert an Reichweite, während junge Zielgruppen Inhalte zunehmend auf Plattformen wie TikTok konsumieren.

Rechte Medienstrategien und die Gefahr für die Demokratie
Zunehmend Einfluss gewinnt dort auch das rechte Medienspektrum – eng verzahnt mit der FPÖ, rechtsextremen Publikationen und sozialen Netzwerken. Parteinahe Medien wie FPÖ-TV, Telegram-Kanäle und Facebook-Seiten erreichen Hunderttausende. Über 21 % der FPÖ-Wählerschaft informiert sich über Telegram – weit mehr als im Durchschnitt. Kritische Medien werden gemieden, alternative Narrative etabliert. Das zeigt sich auch in überdurchschnittlichem Misstrauen der FPÖ-Anhängerschaft gegenüber klassischen Medien, die als "System-Medien" oder "Lügenpresse" als Teil des "politischen Establishments" mitunter vollständig abgelehnt werden.
Unter dem Schlagwort „Mosaik-Rechte“ kooperieren FPÖ-Akteure mit rechtsextremen Plattformen wie AUF1. Der Verfassungsschutz stuft AUF1 seit 2023 als rechtsextrem und propagandaorientiert ein. Über 195.000 Telegram-Abonnenten konsumieren dort Inhalte, die häufig antisemitische und verschwörungsideologische Codes enthalten. Das Printmedium Info-DIREKT verbreitet rechtsextreme Narrative und steht in Verbindung mit den Identitären. FPÖ-Politiker kommen dort immer wieder zu Wort, auch der FPÖ-Obmann Herbert Kickl war schon zum Interview geladen. 2018 schaltete die FPÖ rund 116.000 € an Inseraten in rechtsextremen Medien wie Wochenblick, Alles Roger?, Zur Zeit und Unzensuriert.at. Diese mediale Vermischung von parteipolitischen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteuren führt zu Gefährdungen demokratischer Strukturen.
Die rechten Medienstrategien folgen einem klaren Muster: Emotionalisierung, Polarisierung, algorithmische Verbreitung. Gesellschaftliche Debatten sollen gekapert und Diskurse nach rechts verschoben werden – auch im Internet. Eine kleine, aber extrem aktive Minderheit erzeugt dafür überproportional viel Resonanz – laut Studien stammen rund 50 % aller Hasskommentare von 5 % der Nutzer. Das Ergebnis ist eine gefährliche mediale Verschiebung: Politische Gegner werden dämonisiert, Minderheiten entmenschlicht, der Journalismus delegitimiert. Laut Rechtsextremismus-Bericht ist dieses Netzwerk „arbeitsteilig-solidarisch“ organisiert – mit hohem Potenzial zur weiteren Radikalisierung des öffentlichen Diskurses.

Für ein vielfältiges und freies Mediensystem in Österreich
Um eine ausgewogene und vielfältige Medienlandschaft in Österreich zu fördern, sind mehrere gezielte Maßnahmen notwendig, die auf struktureller, politischer und gesellschaftlicher Ebene ansetzen. Zentrale Bedeutung kommt dabei der Reform der Medienförderung zu: Statt pauschaler Förderungen basierend auf Auflagenhöhe oder Reichweite sollte die Qualität journalistischer Arbeit im Mittelpunkt stehen. Kriterien wie Unabhängigkeit, Vielfalt der Meinungen, Recherchetiefe und regionale Berichterstattung sollten künftig stärker gefördert werden. Auch NGO-Journalismus muss stärker unterstützt und gefördert werden.
Gleichzeitig braucht es klare und transparente Regeln für staatliche Inserate. Die bisherige Praxis, intransparent und politisch motiviert Inseratengelder an bestimmte Medien zu vergeben – oft mit Nähe zum Boulevard – hat das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Medien massiv geschwächt. Ein öffentlich zugängliches Inseratenregister sowie eine gesetzlich geregelte Vergabe nach objektiven Informationsbedürfnissen wären ein wichtiger Schritt zur Entpolitisierung.
Darüber hinaus sollte die Medienkompetenz in der Bevölkerung gestärkt werden, insbesondere bei Jugendlichen. Der kritische Umgang mit Informationen, das Erkennen von Meinung versus Fakten und das Verständnis für journalistische Arbeitsweisen sind essenziell, um der Polarisierung entgegenzuwirken.
Hier können Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen und öffentlich-rechtliche Medien mit gezielten Bildungsprogrammen einen großen Beitrag leisten. Auch die Rolle des ORF als neutraler Informationsanbieter sollte gestärkt und rechtlich abgesichert werden – etwa durch eine unabhängige Aufsicht, um parteipolitische Einflussnahme zu verhindern.
Zudem wäre die Einrichtung eines unabhängigen Medienethikrates sinnvoll, der politische Werbung und die Einhaltung journalistischer Standards bewertet. Besonders im digitalen Raum, wo Social-Media-Plattformen oft zum Nährboden für Polarisierung und Desinformation werden, braucht es klare Leitlinien und eine wirksame Kontrolle. Plattformen sollten verpflichtet werden, Transparenz über algorithmische Empfehlungslogiken zu schaffen und politische Werbung als solche zu kennzeichnen. Politisch müssen die Tech-Giganten in ihre Schranken gewiesen werden und klaren ethischen und sozialen Regularien unterliegen.
Schließlich sollte auch die Medienkonzentration stärker reguliert werden. Ein pluralistischer Medienmarkt braucht nicht nur große Anbieter, sondern auch kleinere, unabhängige Medienhäuser, die alternative Perspektiven bieten. Fördermodelle für Lokaljournalismus, Start-ups im Medienbereich und nicht-kommerzielle Medienprojekte können hier einen Beitrag leisten. Nur durch ein Zusammenspiel aus transparenter Politik, gezielter Förderung, Bildung und Regulierung lässt sich langfristig eine vielfältige, glaubwürdige und demokratische Medienlandschaft sichern.
Autor: Maximilian Stark 17.06.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0
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