Hotel Mama / Nesthocker

Frau trägt Wäschekorb
kaboompics - Pixabay

Ratgeber zu ➡️ Hotel Mama / Nesthocker

"Hotel Mama" ist ein Begriff, der beschreibt, dass junge Erwachsene auch nach der Volljährigkeit oder sogar nach Abschluss ihrer Ausbildung weiterhin bei ihren Eltern wohnen. Dieses Phänomen ist in vielen Ländern verbreitet und wird oft als "Nesthocker-Dasein" bezeichnet. 

Laut Eurostat-Studie 2022 lebten in Deutschland 47 % der 18- bis 29-Jährigen noch im elterlichen Haushalt. Rund 54 % der jungen Männer wohnten noch bei den Eltern, während der Anteil bei den Frauen bei 40 % lag. Der Trend ist besonders in Südeuropa stark ausgeprägt, wo in Ländern wie Italien und Spanien bis zu 70 % der jungen Erwachsenen bei den Eltern wohnen.

Hotel Mama hat immer geöffnet – und zwar rund um die Uhr, mit Vollpension und Zimmerservice.“ - Autorin Christine Nöstlinger

 

Mädchen trägt Kiste aus dem Haus
RDNE Stock Project - Pexels

(Gute) Gründe für Nesthocker

Das Nesthocker-Dasein ist ein komplexes Phänomen, das nicht nur mit finanziellen, sondern auch mit gesellschaftlichen und individuellen Faktoren zusammenhängt. Oft ist es eine Mischung aus pragmatischen Entscheidungen und persönlichen Vorlieben, die junge Erwachsene dazu bringt, länger im Elternhaus zu bleiben.

Lies hierzu gerne auch unseren Ratgeber Jugend.

1. Finanzielle Gründe

  • Hohe Mietkosten: Besonders in Großstädten sind die Wohnkosten stark gestiegen, was den Auszug erschwert.
  • Unsichere Arbeitsverhältnisse: Befristete Jobs, Praktika oder geringe Einstiegsgehälter erschweren die finanzielle Unabhängigkeit.
  • Studium und Ausbildung: Viele Studierende oder Azubis haben ein begrenztes Einkommen und sparen durch das Leben im Elternhaus.

2. Bequemlichkeit und Komfort

  • Kostenfreie oder subventionierte Lebenshaltung: Eltern übernehmen oft Ausgaben für Lebensmittel, Wäsche oder Freizeitaktivitäten.
  • Gewohnheit: Das vertraute Umfeld bietet Sicherheit und eine einfache Lebensweise.

3. Familiäre Bindungen

  • Gute Beziehung zu den Eltern: Viele Nesthocker bleiben, weil das Zusammenleben harmonisch und unterstützend ist.
  • Kulturelle Traditionen: In einigen Kulturen ist es normal, bis zur Heirat im Elternhaus zu bleiben.

4. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen

  • Späterer Eintritt ins Erwachsenenalter: Junge Menschen ziehen später aus, heiraten später und gründen später Familien.
  • Unsichere Immobilienmärkte: Der Erwerb von Wohneigentum ist für viele unerschwinglich.

5. Psychologische Aspekte

  • Angst vor Verantwortung: Manche junge Erwachsene fürchten, den Anforderungen des eigenständigen Lebens nicht gerecht zu werden.
  • Emotionale Abhängigkeit: Eine enge Bindung zu den Eltern kann den Absprung erschweren.
  • Tipp: Ratgeber Jugend & Psyche

6. Bildungsorientierung

  • Verlängerte Bildungszeiten: Viele junge Erwachsene absolvieren längere oder zweite Studiengänge, was den Berufseinstieg verzögert.
  • Schulden durch Bildung: Hohe Studiengebühren (z. B. in den USA) führen dazu, dass junge Menschen Geld sparen müssen, indem sie zu Hause bleiben.

7. Wirtschaftliche Unsicherheiten

  • Wirtschaftliche Krisen: Rezessionen oder globale Krisen (z. B. die Pandemie) verstärken das Bedürfnis nach einem sicheren Rückzugsort.
  • Jobunsicherheit: Viele junge Menschen wechseln oft zwischen Praktika, befristeten Verträgen oder schlecht bezahlten Einstiegsjobs, was finanzielle Stabilität erschwert.

8. Wohnraummangel

  • Mangel an kleinen, bezahlbaren Wohnungen: Der Markt für Single- oder Einzimmerwohnungen ist oft begrenzt und teuer.
  • Strukturschwache Regionen: In ländlichen Gebieten fehlen häufig Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten, sodass junge Erwachsene länger zu Hause bleiben.

9. Technologischer Fortschritt

  • Homeoffice und Online-Bildung: Junge Menschen können von zu Hause aus arbeiten oder studieren, was den Druck zum Auszug verringert.
  • Digitaler Komfort: Das Elternhaus bietet oft besseren Zugang zu Technologie, wie schnelles Internet oder moderne Geräte.

10. Gesundheits- und Pflegeaspekte

  • Unterstützung bei Krankheit: Eltern übernehmen oft die Pflege oder finanzielle Unterstützung bei gesundheitlichen Problemen.
  • Pflege der Eltern: In einigen Fällen bleiben junge Erwachsene zu Hause, um ältere oder kranke Eltern zu unterstützen.

11. Persönliche Entwicklung

  • Unklare Lebensziele: Viele junge Menschen wissen noch nicht, wohin sie beruflich oder privat wollen, und schieben deshalb den Auszug auf. Daher machen viele Jugendliche ein freiwilliges Gap-Year wie FSJ, FÖJ, BFD oder ein Au-Pair.
  • Spätes Erwachsenwerden: Der Übergang ins Erwachsenenalter wird durch heutige Lebensweisen und gesellschaftliche Normen verzögert.

12. Gesellschaftlicher Druck

  • Akzeptanz des Nesthocker-Daseins: In vielen Gesellschaften ist es nicht mehr ungewöhnlich, länger bei den Eltern zu leben, was den sozialen Druck zum Auszug mindert.
  • Vergleich mit Gleichaltrigen: Wenn viele Freunde oder Bekannte ebenfalls zu Hause wohnen, fällt es leichter, auch dort zu bleiben.
  • Tipp: Ratgeber Mut anders zu sein!

     

Streit Vater und Sohn
Kindel Media - Pexels

Eltern und ihre Nesthocker

Eltern reagieren unterschiedlich auf das Nesthocker-Dasein ihrer Kinder. Viele unterstützen ihre Kinder gerne, sei es aus Liebe oder weil sie ihre Nähe genießen. Sie übernehmen oft weiterhin Aufgaben wie Kochen oder Wäsche und freuen sich über die familiäre Verbindung

Gleichzeitig können jedoch Spannungen entstehen, wenn Erwartungen auseinandergehen und Jugendliche beispielsweise nicht die nötige Initiative ergreifen, beruflich tätig zu werden. Manche Eltern fühlen sich überfordert, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Kinder zu wenig Eigenverantwortung übernehmen. Andere wiederum wünschen sich mehr Freiraum und sehnen sich nach einem Leben ohne Verpflichtungen.

Um Konflikte zu vermeiden, ist Kommunikation entscheidend. Klare Absprachen zu finanziellen Beiträgen, Haushaltsaufgaben und einem möglichen Auszugszeitpunkt helfen, das Zusammenleben harmonischer zu gestalten. Viele Eltern nutzen diese Zeit auch, um ihre Kinder schrittweise auf ein eigenständiges Leben vorzubereiten, indem sie Verantwortung fördern.

Nesthocker stellen Eltern vor emotionale und finanzielle Herausforderungen. Emotional können Eltern einerseits stolz und glücklich sein, ihre Kinder bei sich zu haben, was die familiäre Nähe stärkt. Andererseits entsteht oft Frustration, da der Wunsch, loszulassen und den Kindern Unabhängigkeit zu ermöglichen, mit der Realität kollidiert. 

Finanziell kann das Leben mit erwachsenen Kindern eine erhebliche Belastung darstellen. Neben der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen alltäglichen Ausgaben kommen oft zusätzliche Kosten wie Versicherungen, Freizeitaktivitäten oder gemeinsame Urlaube hinzu. Diese Ausgaben können das Familienbudget stark belasten, insbesondere wenn die Kinder noch nicht finanziell unabhängig sind.

Selbständigkeit beginnt als Kleinkind

Selbstständigkeit ist eine Fähigkeit, die bereits im Kleinkindalter gefördert werden sollte, da sie die Grundlage für ein eigenverantwortliches Leben bildet. Eltern spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie ihren Kindern Vertrauen entgegenbringen und ihnen altersgerechte Verantwortung übertragen. Schon kleine Aufgaben, wie das Aufräumen des Spielzeugs oder das Anziehen, stärken das Selbstvertrauen und vermitteln das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können.

Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern Raum zum Ausprobieren geben, auch wenn dabei Fehler passieren. Diese gehören zum Lernprozess und helfen, Probleme eigenständig zu lösen. Lob und Unterstützung motivieren zusätzlich. Gleichzeitig sollten Eltern sich bewusst zurücknehmen, um eine übermäßige Abhängigkeit zu vermeiden. Indem sie eine Balance zwischen Anleitung und Freiheit schaffen, legen sie den Grundstein für starke, selbstbewusste Persönlichkeiten.

Vergleich mit anderen Kulturen

Der Unterschied zwischen Südeuropa und Skandinavien beim Nesthocker-Dasein junger Erwachsener liegt in kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren. In Südeuropa, insbesondere in Ländern wie Italien oder Spanien, sind familiäre Bindungen traditionell stark ausgeprägt. Es ist kulturell akzeptiert, dass junge Menschen bis zur Heirat oder darüber hinaus im Elternhaus bleiben. Gleichzeitig erschweren hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne den finanziellen Absprung.

In Skandinavien hingegen wird Eigenständigkeit früh gefördert, unterstützt durch umfassende soziale Sicherungssysteme. Junge Erwachsene profitieren von staatlichen Hilfen wie Wohnzuschüssen oder kostenlosen Bildungsprogrammen, was den Auszug erleichtert. Außerdem ist die Verfügbarkeit bezahlbarer Wohnungen höher, und die gesellschaftliche Erwartung, früh unabhängig zu werden, spielt eine wichtige Rolle.

Dieser Kontrast zeigt, wie stark wirtschaftliche Rahmenbedingungen und kulturelle Werte das Verhalten prägen.

Möglichkeiten der Entwicklung

Der Trend zum Nesthocker-Dasein wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken, beeinflusst durch den Arbeitsmarkt, die Wohnsituation und gesellschaftliche Normen. In vielen Ländern kämpfen junge Erwachsene mit unsicheren Arbeitsverhältnissen, niedrigen Einstiegsgehältern und einer hohen Arbeitslosigkeit, was den finanziellen Sprung in die Selbstständigkeit erschwert. Gleichzeitig bleibt der Wohnraum in Städten knapp und teuer, was den Auszug zusätzlich behindert.

Politik und Gesellschaft könnten diesem Trend entgegenwirken, indem sie günstigen Wohnraum für junge Erwachsene fördern, etwa durch Subventionen oder staatlich unterstützte Mietmodelle. Eine Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen, etwa durch besser bezahlte Ausbildungsplätze oder die Förderung von Unternehmensgründungen, würde jungen Menschen den Übergang in die Eigenständigkeit erleichtern. Zudem könnte die Gesellschaft eine Kultur fördern, in der der Schritt in die Selbstständigkeit als positiver und erreichbarer Meilenstein betrachtet wird.

 

Tochter streitet mit Mutter
Ketut Subiyanto - Pexels

Wege in die Selbständigkeit

Praktische Hinweise:

  1. Budgetplanung:
    • Einnahmen und Ausgaben: Erstelle eine detaillierte Aufstellung aller Einnahmen (z. B. Gehalt, Nebenjobs) und Ausgaben (Miete, Nebenkosten, Lebensmittel, Versicherungen, Transport, Freizeit).
    • Notfallfonds: Es ist ratsam, einen Notfallfonds anzulegen, um unerwartete Ausgaben (z. B. Reparaturen, medizinische Notfälle) abdecken zu können.
    • Sparziele: Setze dir klare Ziele für regelmäßige Ersparnisse und achte darauf, einen Teil deines Einkommens für langfristige Wünsche oder Rücklagen zurückzulegen.
  2. Wohnungssuche:
    • Frühzeitig anfangen: Beginne mindestens drei bis sechs Monate vor dem gewünschten Auszugstermin mit der Wohnungssuche.
    • Budget für Miete: Lege ein realistisches Budget für Miete fest, das nicht mehr als 30-40 % deines monatlichen Einkommens ausmacht.
    • Lage und Infrastruktur: Achte darauf, dass die Wohnung gut an öffentliche Verkehrsmittel angebunden ist und wichtige Einrichtungen wie Supermärkte, Apotheken oder Arbeitsorte in der Nähe sind.
    • Bewerbung und Besichtigung: Bereite alle notwendigen Unterlagen wie Einkommensnachweise, Mietschuldenfreiheitserklärung und Referenzen vor, um bei Besichtigungen gut vorbereitet zu sein.
  3. Aufbau eines Netzwerks:
    • Berufliche Kontakte: Nutze Praktika, Netzwerkveranstaltungen oder Online-Plattformen (z. B. LinkedIn), um berufliche Kontakte zu knüpfen, die dir bei der Jobsuche oder Karriereplanung helfen können.
    • Freunde und Unterstützung: Baue ein soziales Netzwerk auf, das dir sowohl emotionalen Rückhalt gibt als auch praktisch bei der Wohnungssuche oder bei der Bewältigung des Alltags hilft.
    • Nachbarschaftshilfe: Knüpfe Kontakte in deiner neuen Umgebung, um dich schnell heimisch zu fühlen und praktische Unterstützung zu erhalten.

Emotionale Vorbereitung:

  1. Reflexion über den Schritt:
    • Der Auszug ist nicht nur ein praktischer Schritt, sondern auch ein emotionaler Übergang. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass du nun mehr Verantwortung übernimmst, sowohl für deine Finanzen als auch für deinen Alltag. Sieh den Auszug als Chance für persönliches Wachstum und Selbstverwirklichung.
  2. Offene Kommunikation mit den Eltern:
    • Der Abschied kann für beide Seiten emotional herausfordernd sein. Sprich frühzeitig mit deinen Eltern über deine Pläne und darüber, wie ihr den Übergang gestalten könnt. Sei ehrlich über deine Gefühle, aber auch offen für ihre Sorgen und Unterstützung.
  3. Vorbereitung auf das Alleinsein:
    • Allein zu wohnen, kann Einsamkeit oder Heimweh mit sich bringen. Bereite dich darauf vor, indem du Wege findest, regelmäßig mit Freunden oder Familie in Kontakt zu bleiben, sei es durch Anrufe, Besuche oder digitale Kommunikation.
  4. Neue Routinen etablieren:
    • Entwickle neue Routinen und Gewohnheiten, die dir helfen, dich in deiner neuen Wohnung zurechtzufinden. Planen von Mahlzeiten, regelmäßige Haushaltsaufgaben und die Pflege sozialer Kontakte können dabei helfen, sich schnell einzuleben.
  5. Loslassen und Freiraum geben:
    • Sowohl für dich als auch für deine Eltern ist es wichtig, den Prozess des „Loslassens“ zu akzeptieren. Gib dir selbst den Raum, um neue Erfahrungen zu sammeln, während du auch deinen Eltern die Möglichkeit gibst, ihre eigene Rolle neu zu definieren.

Diese Tipps helfen nicht nur, den praktischen Aspekt des Auszugs gut zu planen, sondern auch die emotionale Seite dieses Übergangs zu meistern und ihn als positiven Schritt in die Eigenständigkeit zu erleben.

 

Schlüssel in Türschloss
AS Photography - Pixabay

Unser Wunsch

Wir wünschen uns, dass junge Erwachsene die Wahl haben, wann und wie sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Eltern sollten dabei unterstützend wirken, ohne ihre Kinder zu drängen oder zu überbehüten. Der Auszug aus dem Elternhaus ist ein bedeutender Schritt, der sowohl mit praktischen als auch emotionalen Herausforderungen verbunden ist.

Eltern können ihre Kinder durch Vertrauen, klare Absprachen und das Fördern von Eigenverantwortung begleiten. Gleichzeitig sollten sie Raum für persönliche Entscheidungen und Wachstum lassen. Ein gemeinsamer Weg, der von Kommunikation, Verständnis und Unterstützung geprägt ist, hilft beiden Seiten, diesen Übergang erfolgreich zu meistern. Letztlich geht es darum, dass Kinder mit Selbstbewusstsein und Unabhängigkeit ins Leben starten können – unterstützt von Eltern, die diesen Prozess aktiv fördern.

Autorin: Jasmin, 06.12.24 - Artikel lizenziert unter CC BY-NC-ND 4.0(link is external)

Für mehr Infos lies unten weiter  ⬇️

Datenschutzinformation
Der datenschutzrechtliche Verantwortliche (Dr. Norbert Stute, Österreich) würde gerne mit folgenden Diensten Ihre personenbezogenen Daten verarbeiten. Zur Personalisierung können Technologien wie Cookies, LocalStorage usw. verwendet werden. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, können Sie Ihre Einwilligung jederzeit via unserer Datenschutzerklärung anpassen oder widerrufen.