Der ›Psychologische Krieg‹ gegen die Bevölkerung in Ost und West

Ein Aktivist bei einer Anti-Nato-Demo neben einem Banner

Die Nato verbindet ihr in Kürze anstehendes Gipfeltreffen mit der Feier ihres 75-jährigen Bestehens. Mitte Juli steht die US-Hauptstadt Washington, D.C. im Zentrum der immer weiter forcierten Werbung für das Militär als Problemlöser für die Risiken unserer Zeit. Die Propaganda der Bellizisten kann verkünden, dass Frieden nur über das Schlachtfeld erreichbar sei wie die FAZ am 9. Mai titelte. 

Die Propaganda zugunsten einer Mentalität der Kriegstüchtigkeit löst das Friedensgebot laut Art, 1.1 der UNO-Charta immer durchgängiger ab. Die Nato-Lobby hat seit der Zeitenwende-Rede von Kanzler Olaf Scholz, immer mehr Menschen im politischen Westens für den Kurs der Hoch- und Atomrüstung sowie der Politik der Rivalität und Spannungseskalation gewonnen, darunter viele ihrer einstigen Kritiker und große Teile der Ökologiebewegung, obwohl die weltweiten Militärausgaben jegliche Umweltpolitik untergraben. 

Der Bundeskanzler baute seine Argumentation in seiner Zeitenwende-Rede zum Ukrainekrieg am 27.02.22 auf einer einseitigen Ursachenzuschreibung mit einer Dämonisierung Putins auf, die der schwarzweiß-Zeichnung jeglicher Kriegspropaganda folgt – Zitat: „Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen - aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen. Die schrecklichen Bilder … zeigen die ganze Skrupellosigkeit Putins.“ 

Dieser Orientierung folgt seither die Propaganda, die immer wieder Rote Linien der Eskalation durchbricht. Die Vermeidung eines großen Krieges zwischen Atommächten, der das Ende der europäischen Zivilisation bedeuten würde, gerät dabei völlig aus dem Blick. Wer vor dieser Gefahr warnt, erntet schnell wie Kanzler Scholz einen Sturm der Kritik, er sei ein ‚Zauderer‘.

Eine Statue mit einem Plakat auf dem "Ohne Frieden no Future" steht

Diskreditierung der Wahrheit

Wer in Kriegszeiten wie den heutigen über Methoden der Propaganda aufklärt, erhält schnell den Vorwurf mindestens der indirekten Parteinahme für die gegnerische Seite; auch diese Diffamierungsmethode gehört zur Kriegs- und Militärpropaganda. Das war in den Weltkriegen so, als Pazifisten als ›Landesverräter‹ verfolgt wurden, und im Kalten Krieg war es nicht anders.

Eine nachhaltige Lösung kann nur gefunden werden, wenn alle Beteiligten von den offensichtlich sichtbaren Gegebenheiten aus zu den tieferen Ursachen des Konflikts vordringen und die Konfliktursachen angehen. Ein für eine Seite erniedrigend endender Ausgang würde die Gefahr eines erneuten späteren Aufflackerns des Krieges bedeuten.

Derzeit fällt es enorm schwer, angesichts des unglaublich rasant erfolgten Stimmungs-Umschwungs zugunsten von Waffenlieferungen, Nuklearrüstung und Eskalation in die Richtung einer diplomatischen Lösung zu wirken. Laut General Carsten Breuer unterstützen über 80% der Bevölkerung Deutschlands die Militärpolitik inklusive der Erhöhung des Militäretats. Rüstungskonzerne erhalten ein gesteigertes Ansehen, was dazu führt, dass Rheinmetall als Sponsor bei Borussia Dortmund eingestiegen ist. 

Der seriöse Schein der Desinformation

Die alltägliche Kriegsberichterstattung nimmt konzentriert das Leid infolge russischer Kriegshandlungen in den Fokus, ohne eine differenzierte und genaue Information über die Entstehungsgeschichte des Ukrainekrieges mit einzubeziehen. Damit appelliert sie an Emotionen und Reflexe, was einer reflektierten Verarbeitung des Geschehens und damit jeglicher Friedenspolitik entgegensteht. So erklärt es sich auch, dass die Nato so weit gehen kann, selbst eine militärische Konfrontation mit den Atomwaffenstaaten Russland und China als alternativlos darzustellen, ohne dass ein breiter Proteststurm einsetzt. 

Ein Blick auf zentrale Botschaften der Kriegspropaganda offenbart, wie die Militärlobby unter dem Eindruck der Seriosität manipuliert.

Schon die Wortwahl »Angriffskrieg« gibt – wie auch das Wort »Überfall« – gibt Russland die alleinige Verantwortung für die Zerstörungen und ihre Folgen in der Ukraine; im Ergebnis spricht sich dann bei einer Umfrage eine Mehrheit für die Stärkung der Bundeswehr und Nato aus, auch um das Gefühl eines eigenen Schutz vor der Gefahr einer Aggression zu bedienen. 

Die Warnungen aus der Bundeswehr und der Bundesregierung vor einem Angriff Russlands auf Deutschland innerhalb der nächsten circa acht Jahre appelliert an den Schutzinstinkt der Menschen, der die Nato als Retterin in der angekündigten Gefahr. Die Manipulation bei der Benutzung des Begriffs »Angriffskrieg« tritt auch darin zutage, dass die Bundesregierung sich weigert, den US-geführten, unprovozierten Irak-Krieg einen ›Angriffskrieg‹ zu nennen.

Der unstrittige Grund für den Ukrainekrieg in seiner aktuellen Schärfe liegt in der Absicht der Nato, die Ukraine aufzunehmen. Russland behauptet, die Nato-Ost-Expansion widerspreche dem Vertrag zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten, was Führungskräfte aus Nato-Staaten als Fake-News bezeichnen.

Ein Banner mit einer friedenspolitischen Aufschrift vor einer Jet-Statue

Die Fakten

Der »2+4-Vertrag zum Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes« legt die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und Deutschland darauf fest, auf ein Friedensordnung hinzuwirken, die die Sicherheitsinteressen „eines jeden“ (Präambel), also auch Russlands respektiert. Inzwischen stehen nuklearfähige Nato-Systeme in Polen und Rumänien, offiziell als Abschreckung des Iran; das wird Russland den Nato-Strategen niemals abkaufen.

Jeder kann einschätzen, inwiefern der Aufbau einer gegnerischen Militärinfrastruktur noch dazu mit nuklearen Arsenalen in kurzer Distanz zur russischen Grenze oder gar unmittelbar an der Westgrenze Russlands, mit dem 2+4-Vertrag zu vereinbaren ist. 

Ähnlich propagandistisch ist der Vorwurf, Russland habe mit dem Krieg die europäische Friedensordnung zerstört. Olaf Scholz erhob den Vorwurf in seiner Zeitenwende-Rede, meinungsführende Medien und Spitzenpolitiker wiederholen diesen Vorwurf regelmäßig. 

Die Charta von Paris (1990) besagt: “Nun, da die Teilung Europas zu Ende geht, werden wir unter uneingeschränkter gegenseitiger Achtung der Entscheidungsfreiheit eine neue Qualität in unseren Sicherheitsbeziehungen anstreben. Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten.“ 

Die Ausdehnung eines Militärpaktes, der Russland – wie auch in China – als Gegner behandelt, durchzusetzen und mit großer Akzeptanz breiter Teile der Öffentlichkeit Russland die Alleinschuld für die Eskalation zuzuweisen, das erweist sich als Meisterstück der Propaganda.

Ein Plakat mit friedenspolitischer Message

Auch die OSZE-Sicherheits-Charta von 1999 betont den Ansatz gemeinsamer Sicherheit: „Wir sind entschlossen, bei der Verteidigung der demokratischen Institutionen gegen Verletzungen der Unabhängigkeit, souveränen Gleichheit oder territorialen Integrität der Teilnehmerstaaten zusammenzuarbeiten. ,… mit dem Ziel, … neue, allen Teilnehmerstaaten offenstehende Verhandlungen über Abrüstung sowie über Vertrauens- und Sicherheitsbildung aufzunehmen. … wesentliche Faktoren für die Aufrechterhaltung und Festigung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ werden wir „im Einklang mit dem Völkerrecht“ entwickeln.“ 

Der Vorwurf, dass die Nato-Expansion die Entwicklung derartiger neuer Formen der Zusammenarbeit im Sinn gemeinsamer weil gegenseitiger Zusammenarbeit im Ansatz erstickt, weist eine gewisse Plausibilität auf.

Kern der Welt-Sheriff-Propaganda des politischen Westens ist das stimmig aussehende Argument, die Nato verteidige mit der Souveränität der Ukraine die von ihr so genannte ‚Regelbasierte Ordnung‘. Wenn Olaf Scholz in seiner Zeitenwende-Rede erklärte, es gehe um die „Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer“, dann betrifft das den Kern der Ursachen des aktuellen Kriegsgeschehens. Es geht um die Neutralität der Ukraine. Das Argument besagt, Russland habe mit der Forderung nach einer Ablehnung der Nato-Mitgliedschaft eine „böswillige Einmischung“ in die Souveränität anderer Staaten vorgenommen.

Ob hierbei Kriegspropaganda gegen das Wahrheitsgebot der Nachrichten verstößt, kann ein Blick in die Architektur der internationalen Friedensordnung klären. Die Charta von Paris besagt zu dieser Frage: „In diesem Zusammenhang bekennen wir uns zum Recht der Staaten, ihre sicherheitspolitischen Dispositionen frei zu treffen…“ Der Zusammenhang sind die schon erwähnten neuen »Ansätzen für Sicherheit und Zusammenarbeit«.

Die Nato-Propaganda besteht – wie hier wiederholt dargelegt – aus Halbwahrheiten und doppelten Standards. Sie blendet den Zusammenhang der gemeinsamen Sicherheit aus, wenn sie die Souveränität von potentiellen Nato-Mitgliedsstaaten aus diesem Zusammenhang trennt.

Quintessens: Zuerst opfert Kriegspropaganda die Wahrheit. In der Folge steigert sie die Gefahr eines am Ende großen Krieges, der das Potential der Unkontrollierbarkeit in sich trägt. Auch die Sozial-, Gesundheits- und Umweltpolitik bleibt mit auf der Strecke.

Bei den Feiern zum Nato-Jubiläum wird genau diese Gefahr durch Propaganda überspielt und damit auch weiter geschürt.

Autor: Bernhard Trautvetter 08.07.24, lizenziert unter CC BY-NC-SA 4.0

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